Wer den Himmel berührt
hatten kein Wort miteinander geredet. Als er fertig war, zog er sich die Handschuhe aus und sagte: »Noch ein paar Stunden, und es wäre zu spät gewesen.«
Cassie nickte. »Ist alles in Ordnung mit dir?« Sie folgte ihm aus dem Operationssaal.
Er fing an, sich die Hände zu waschen. »Isabel ist heute nachmittag um drei gestorben.«
»O Chris! Es tut mir ja so leid.« Sie ging zu ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. »Du hättest es mir sagen sollen. Verstehst du, ich hätte das auch allein geschafft.«
»Es hat mir gutgetan, mich davon abzulenken.«
»Kann ich irgend etwas tun?«
Er schüttelte den Kopf und verließ den Raum. Sie blieb stehen und starrte ihm nach. Er mußte außer dem Kummer auch Erleichterung verspüren, dachte sie. Es mußte schwierig für ihn gewesen sein, tatenlos dabeizustehen und zuzusehen, wie ein Mensch, den er liebte, solche Schmerzen erlitt und sterben wollte. Diese Belastung war jetzt von ihm abgefallen, wenn auch der Kummer noch da war. Sie erinnerte sich daran, wie ihr zumute gewesen war, als sie ihre Mutter verloren hatte. Selbst wenn man damit rechnete, war es nie leicht, einen Menschen zu verlieren, den man liebte.
Bei »Addie’s« saßen Sam und Don mit Heather Martin und ihrer Schwester Bertie zusammen an einem Tisch und erwarteten sie. Bertie starrte alles und jeden mit weitaufgerissenen Augen an. Beide Mädchen waren groß, schlank und braungebrannt, und ihr blondes Haar hatte von langen Jahren in der Sonne hellere Strähnen. Trotz ihrer Herrenkleidung preßten sich ihre Brüste gegen die Baumwollhemden, und ihre engen Hosen betonten ihren Po. Diese großen schönen Frauen, die nicht wahrnahmen, daß sie bei »Addie’s« eine Sensation hervorriefen, hätten im Zentrum von Sydney den Verkehr zum Stocken gebracht, von Augusta Springs ganz zu schweigen.
»Der da«, sagte Heather und wies mit einer Kopfbewegung auf Sam. »Uns gefällt, wie er aussieht.«
Cassie bemühte sich, ihr Lächeln nicht zu zeigen, während sie beobachtete, wie Sam rot wurde.
»Wir sind gekommen, um uns anzusehen, ob es noch mehr von seiner Sorte gibt«, fiel Bertie ein und warf einen schnellen Blick auf Don, der mit einem breiten Grinsen auf dem rötlichen Gesicht dasaß. »Meine Fresse, in der ganzen Stadt wimmelt es von ihnen.«
»Wo übernachtet ihr? Ich habe ein Zimmer frei, wenn ihr mögt«, bot Cassie an.
»Sie haben ihr Bettzeug draußen«, sagte Sam. »Sie sind mit dem Wagen in die Stadt gefahren.«
»Das müssen ein paar hundert Meilen sein«, sagte Don, der offensichtlich seinen Spaß hatte, und zündete sich seine Pfeife an. Berties Gabel hielt mitten in der Luft in der Bewegung inne.
»Das hier ist das beste Essen, das ich je gekostet habe.« Sie aß den letzten Rest von ihrem Steak und stand auf. »Wo ist die Küche?«
Diese Mädchen waren wirklich einsame Spitze, dachte Cassie, als sie auf die Pendeltür deutete.
Heather wandte sich an Cassie. »Das ist schrecklich nett von Ihnen. Wir nehmen Ihr Angebot an und bleiben bis Sonntag. Letztes Mal ist er«, sagte sie und wies mit einer Kopfbewegung auf Sam, »nicht zum Tanzen aufgetaucht. Kommst du diesmal hin?«
»Klar.« Sam streckte einen Arm aus und legte ihn Don um die Schultern. »Er kommt auch mit.«
»Spielt ihr etwa mit dem Gedanken, in die Stadt zu ziehen?« fragte Don, dessen Augen vor Belustigung funkelten.
Heather schlug sich auf die Knie und beugte sich vor. Sämtliche Männer im ganzen Raum sahen sie an. »Niemals! Wir dachten uns nur, wir kommen mal her, um uns die Männer anzusehen.«
»Und vielleicht einen Koch zu engagieren.« Bertie kam mit »Addie’s« Koch Cully aus der Küche zurück. Sie war einen ganzen Kopf größer als er, aber sie grinste, als sie ihn Heather vorstellte. »Sag ihm, was für ein guter Koch er ist.«
Heather musterte ihn unverhohlen von Kopf bis Fuß. »Echt gut. Dieser Zitronenkuchen ist himmlisch.«
Cully, dessen hageres Gesicht ausdruckslos war, nickte und wischte sich die Hände an seiner weißen Schürze ab. »Ma’am«, war alles, was er sagte, ehe er sich abwandte und ging.
Berties Blicke folgten ihm. »Ist er nicht einfach niedlich?«
Heather sagte: »Zum Fressen süß, aber kaum eine Handvoll.«
»Ja, stimmt, aber kochen kann er wirklich gut.«
»Ich bin müde«, sagte Cassie eine Stunde später. »Das war ein langer Tag. Ich möchte für ein paar Minuten im Krankenhaus vorbeischauen und nachsehen, ob meine Patientin wieder bei Bewußtsein ist. Sie könnte
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