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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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könnten, wenn wir im Freien schlafen. Ich kann mir vorstellen, daß das der einzige Kontinent auf Erden ist, in dem man immer gefahrlos im Freien schlafen kann.« Er hatte ihre Schlafsäcke nebeneinander ausgebreitet, und sie hatten einander beim Einschlafen an den Händen gehalten.
    »Morgen nacht«, sagte er, »werden wir zu einem Korrobori gehen. Wir werden unser Lager morgen woanders aufschlagen, ans Meer fahren. Das wird dir gefallen. Mir gefällt es dort.«
     
    Der Mond war riesig.
    Blake sagte: »Wir können nicht nebeneinandersitzen. Du wirst zu den Eingeborenenfrauen rübergehen müssen, und ich schließe mich den Männern an.«
    Cassie nickte und machte sich auf den Weg zu den schwarzen Frauen, die vor ihrem eigenen Feuer saßen, das nicht annähernd so groß wie das der Männer war. Blake und sie waren direkt nach Einbruch der Dunkelheit eingetroffen, als der Stamm noch seine Gebete summte … die Menschen richteten sie an den Regengeist und an die Große Mutter der Fruchtbarkeit. Ihre Stimmen hoben und senkten sich im Einklang, schwangen sich zu einem hohen Falsett auf und erfüllten die Nachtluft.
    Durch die Dunkelheit drang das hohle, einsame, tiefe Stöhnen des Didjeridu, eines oboenartigen Instruments. Die Gil-Gil-Stöcke fielen ein, deren schriller Diskant wie Tausende von Grillen klang. Dann setzten leise Stimmen ein, die sich allmählich zu einem außerordentlichen Crescendo steigerten. Oberkörper wiegten sich im Einklang nach dem Rhythmus der Musik. Dieselben Worte wurden zahllose Male wiederholt, und die Kadenz riß nie ab. Hände schlugen einen Trommelwirbel auf schimmernde Schenkel, und in der Ferne konnte man Tomtoms hören, während Yamsstöcke auf die trockene Erde schlugen. Rote Bumerangs, die mit Blut beschmiert worden waren, rasselten, wenn sie klappernd gegeneinanderstießen. Ein alter Mann am äußeren Rand des Kreises schlug zwei Blechdosen aneinander und stieß einen wilden, aufgeregten Schrei aus, der klang, als heulte ein Dingo den Mond an.
    Der Trommelrhythmus steigerte sich zur Raserei.
    Dann trat plötzlich und unerwartet Stille ein. Kein Laut war zu hören.
    Das Echo hallte noch in Cassies Ohren nach. Sie konnte ihren eigenen Atem hören.
    Eine einzelne Stimme begann zu singen, ein hoher Tenor, der durch die Nacht klang, der Rhythmus der Musik begann sich wieder zu beschleunigen, und das Pulsieren des Didjeridu war durchdringend.
    Da ihre Augen sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah Cassie Tänzer aus den Bäumen auftauchen, die sich einen Weg in die Mitte des Kreises der Gruppe von Männern bahnten. Blake hatte ihr gesagt, daß sich der Zeitpunkt des Erscheinens der Tänzer nach dem Aufgehen eines bestimmten Sterns richtete.
    Der Feuerschein spiegelte sich in den Gesichtern der Tänzer. Sie waren grotesk bemalt, und über den beängstigenden Visagen steckten silbrig weiße Kakadufedern in ihrem Haar, die im Feuerschein schillerten. Zu diesem ausgefallenen Kopfputz kamen noch ockergefärbte Stöcke und Köcher hinzu. Die weiße Farbe auf ihren Körpern ließ die Menschen wie Skelette erscheinen, die umherschwebten. Sie stampften im Einklang auf den Boden und erzeugten einen Lärm, der Cassie an das Geräusch von Kreide auf einer Tafel erinnerte.
    Die Tänzer stellten sich hintereinander auf und wanden sich wie Schlangen zwischen den Feuern, die außerhalb des Kreises angezündet worden waren, und dabei stampften sie mit den Füßen auf, und das Laub an ihren Knien und Ellbogen raschelte wie Geflüster in der Nacht.
    Ein Schauer nach dem anderen lief Cassie bei den kehligen, krächzenden, dumpfen Lauten des Gesangs und der Instrumente über den Rücken. Die Tänzer stampften mit einer solchen Wucht und mit so viel Schwung auf die Erde, daß sie unter ihnen bebte. Die Eingeborenenfrauen, die um Cassie herumsaßen, schlugen sich auf die Schenkel, und die Männer fielen alle in den Gesang ein. Die Tänzer wanden sich um den großen Kreis von Männern herum, kehrten in die Mitte des Kreises zurück und ahmten alltägliche Vorkommnisse nach. Ein Leguan, der panisch vor den Hunden fliehen wollte, die hinter ihm herkläfften, das ekstatische Jubilieren eines Mannes, der in der Wüste Wasser fand, das Gleiten einer Schlange. Dann folgte ein rasender Tanz, eine Jagd, die panischen Sätze der Verfolgten, die Gefangennahme, der Kulminationspunkt im Töten. Laute, die Cassie vollständig fremd waren, zerrissen die Luft.
    Der Tanz setzte sich fort und wiederholte sich. Die

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