Wer den Himmel berührt
Schwangerschaft bereits deutlich anzusehen war.
Die Schwangerschaft? O nein! Konnte es etwa sein, daß sie sich so oft übergab, weil sie schwanger war?
Sie starrte Sam an.
»Ich muß nach Hause gehen«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht gut.«
»Laß das, Doc«, sagte er, und ein Anflug von Gereiztheit war aus seiner Stimme herauszuhören. »Tu dir das nicht an. Du hast keinen Einfluß darauf. Finde dich einfach damit ab. Es sieht dir gar nicht ähnlich, dich derart gehenzulassen.«
Du verfluchter Kerl, Sam. Du gottverdammter Kerl. Ich lasse mich nicht gehen.
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich werde schon wieder. Laß mir ein wenig Zeit. Ich glaube, diese letzten zehn Tage haben mich ermüdet.« Sie wollte sich nicht ausgerechnet hier übergeben. Sie fühlte sich schwindlig und benommen. Der grelle Sonnenschein ließ ihre Augen schmerzen.
»Okay, ich fahre dich nach Hause.« Er ging auf den Wagen zu und öffnete im Vorbeigehen die Beifahrertür, wartete aber nicht neben der Tür, bis sie eingestiegen war.
Sie legten die Fahrt schweigend zurück, und Cassie schloß die Augen. Blake und sie hatten noch nicht einmal über die Möglichkeit einer Schwangerschaft gesprochen. Sie vermutete, sie hatten sich beide gedacht, daß sie dann einfach heiraten könnten, obwohl sie nie auch nur über eine Heirat gesprochen hatten. Und wie konnte sie jetzt Kontakt mit ihm aufnehmen? Es ihm sagen? Selbst wenn sie gewußt hätte, wie sie sich mit ihm hätte in Verbindung setzen können, wäre es völlig ausgeschlossen gewesen, daß er sich freinehmen konnte, um nach Australien zurückzukommen, diesen weiten Weg zurückzulegen, um zu heiraten. Völlig ausgeschlossen.
Vielleicht war sie ja gar nicht schwanger. Vielleicht war es ja nur die Erschöpfung, eine Folge der Polioepidemie, des Flugs nach Adelaide und zurück, und noch dazu das Wissen, daß sowohl Blake als auch Sam ihr gewaltsam entrissen worden waren und daß ihr ganzes Leben dabei war, auf den Kopf gestellt zu werden. Schließlich gab es neben einer Schwangerschaft auch noch andere Gründe dafür, daß einem übel wurde, daß man sich übergab, daß man sich einfach nur noch hinlegen wollte.
Sie spürte Sams Hand auf ihrer und drehte sich zu ihm um. Er lächelte. »Doc, das Arbeiten mit dir macht diesen Job zu einem der besten auf Erden. Außer dem Krieg wüßte ich keinen anderen Grund, aus dem ich jemals aussteigen würde. Verstehst du, wenn ich mich nicht freiwillig melden würde, kämen sie ohnehin, um mich zu holen. Ausgebildete Piloten sind enorm gefragt. Blake ist auch fortgegangen. Das weiß ich. Es tut mir leid, Cassie. Liebst du den Kerl?«
Sie nickte.
»Hast du vor, ihn zu heiraten?«
Sie nickte. »Wir haben zwar noch nicht darüber geredet, aber trotzdem, ja.«
»Komm her«, sagte er und zog sie näher zu sich, damit er ihr einen Arm um die Schultern legen konnte. Sie ließ den Kopf auf seine Schulter sinken, und wieder traten ihr Tränen in die Augen. Er hielt sie fester. »Ich habe den Verdacht, für die Frauen wird es schwerer werden«, sagte er. »Es ist immer schwerer, warten zu müssen.«
»Ich habe es noch nicht einmal geschafft, mich von ihm zu verabschieden.« Jetzt fing sie wirklich wieder an zu weinen.
Sam sagte kein Wort mehr, bis sie vor ihrem Haus anhielten. »Morgen fliegen wir zu unserer regulären Sprechstunde raus, abgemacht? Gleich nach deiner Funksprechstunde am Morgen.«
Am nächsten Morgen ging es Cassie gut. Dann war sie also wahrscheinlich doch nicht schwanger.
An jenem Tag bewältigten sie zwei Sprechstunden mit ambulanten Behandlungen und hatten immer noch Zeit übrig. »Laß uns auf dem Heimweg in Yancanna haltmachen«, sagte sie. »Es liegt nicht weit vom Weg ab, und wir könnten dort nachsehen, wie Brigid und Marianne zurechtkommen.«
Sie nahmen einen der Poliopatienten nach Augusta Springs mit. Cassie redete den ganzen Tag über kaum ein Wort mit Sam. Sie war wütend auf ihn, weil er sie im Stich ließ. Sie wußte, daß das unfair war, aber sie kam einfach nicht dagegen an.
»Ich sage Horrie, daß er jeden Tag Sprechstunden für uns vereinbaren soll, solange ich noch hier bin. Geht das in Ordnung?«
»Tu doch, was du willst«, fauchte sie.
Er musterte sie lange von der Seite, doch sie nahm nichts davon wahr.
Drei Tage später kam sie kaum aus dem Bett. Ihr war so schwindlig, daß sie auf den Boden fiel und auf allen vieren ins Bad kriechen mußte, um sich dort zu übergeben.
Verdammt noch mal.
Sie
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