Wer den Himmel berührt
austragen müssen, und ich habe mir gewünscht, ich hätte den Mut, ein Gesetz zu brechen, das ich als unmoralisch ansehe, aber ich bin ein Feigling. Ich bin nicht bereit, meine Praxis zu gefährden – mir die Zulassung entziehen zu lassen –, um ihnen zu helfen. Das Äußerste, was ich für diese Frauen tun kann, ist, Adoptionen zu arrangieren. Oft schicke ich sie nach Townsville rüber, zu meiner Schwester, die sich um sie kümmert, bis sie ihre Babys bekommen haben. Aber zu mehr fehlt mir der Mut. Ich bin sicher, daß Romla auch deiner Patientin helfen würde.«
Sein Stuhl quietschte, als er darauf schaukelte.
»Es geht nicht um eine meiner Patientinnen, Chris. Es geht um mich.«
Sie konnte sich vorstellen, was er jetzt tun würde. Sie über den Rand seiner Brille ansehen, sie mit einem tadelnden Blick bedenken, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammenkneifen und sie anstarren.
Doch er tat nichts von alledem. Als er nicht darauf einging, sagte sie: »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Du willst einen Rat von mir? Ist es das?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich wüßte nicht, mit wem ich sonst darüber reden könnte.«
»Warum ich?«
Sie zuckte die Achseln. »Du bist Arzt. Ich habe gelernt, mich auf dein medizinisches Urteil zu verlassen.«
»Ich bin kein Experte für moralische Dilemmas.«
»Das ist es also, worin ich mich befinde?« fragte sie. »Vielleicht nehme ich doch eine Tasse Kaffee. Oder Tee, falls du welchen hast.«
Chris stand auf und ging ins Haus. Cassie saß fast zehn Minuten lang allein da und lauschte Hühnern in der Nähe, Hähnen, die bei Sonnenuntergang krähten. Sie hörte Zikaden in den Bäumen und die Geräusche von Kindern, die ein paar Häuser weiter auf der Straße spielten.
Als Chris zurückkam, brachte er zwei Tassen mit und stellte eine davon vor sie hin.
»Was soll ich bloß tun?« Sie trank den heißen Tee und verbrannte sich die Zunge daran.
»Was willst du tun?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Wenn ich ein Baby bekomme, bedeutet das, daß mein Leben ruiniert ist. Hier spricht sich alles schnell herum, und wenn es gar um eine Ärztin geht … Wenn ich ein Baby bekomme, gibt es einen Skandal.«
»Für jemanden, der es besser wissen müßte, warst du allerdings wirklich unvorsichtig.« Chris’ Stimme war kalt und schroff.
»Das ist mir nur zu klar. Aber wir haben keinen Krieg vorhergesehen.«
»Die Chance einer Heirat besteht nicht?«
Cassie schüttelte wieder den Kopf. »Nicht im Moment.«
»Weiß er etwas davon?«
»Nein.«
»Ah«, sagte Chris in einem Tonfall, der Verständnis ausdrückte. »Dann ist er also im Krieg. Es ist dieser Thompson, mit dem du im Norden warst, stimmt’s?«
Cassie nickte und fragte sich, ob ihr je elender zumute gewesen war. Sie saßen da, und sie wartete, ohne selbst zu wissen, worauf.
»Es schmeichelt mir, daß du zu mir gekommen bist, Cassie. Ich fühle mich wirklich geschmeichelt. Aber ich werde es nicht tun, obwohl ich es unvertretbar finde, daß Frauen Kinder bekommen müssen, die sie nicht haben wollen, und daß sie im Fall von unzulässigem Sex die Hauptlast tragen müssen.«
Unzulässig.
»Lehnst du mich jetzt ab?«
Er dachte einen Moment lang nach und lächelte dann verkniffen. »An dem Tag, an dem ich dich das erste Mal gesehen habe, habe ich dich mehr abgelehnt als heute. Wer bin ich, daß es mir zusteht, Menschen und ihr Handeln zu billigen oder zu mißbilligen? Derjenige, der frei von Sünde ist, soll den ersten Stein werfen.«
»Ich will nicht gesellschaftlich ausgestoßen werden, Chris. Ich will mir mein Leben nicht dadurch ruinieren lassen, daß ich ein Kind ohne einen Ehemann zur Welt bringe, und ich bin nicht soweit, daß ich ein Baby haben möchte.«
»Würdest du dasselbe empfinden, wenn dieser Thompson dich heiraten könnte?«
Tränen traten in ihre Augen. »Vermutlich nicht. Aber er ist nicht hier, und ich kann ihn nicht heiraten. Und ich habe nicht vor, die Fliegenden Ärzte aufzugeben.«
»Bist du sicher, daß du schwanger bist?«
Sie nickte. »Ziemlich sicher.«
»Laß dich morgen von mir untersuchen und dir eine Urinprobe abnehmen, damit wir einen Kaninchentest machen können.«
»Aber das heißt, daß wir noch eine Woche warten müssen, ehe wir es mit Sicherheit wissen.«
»So lange kannst du doch bestimmt warten. Dann wäre es noch nicht zu spät, falls du dich zu einer Abtreibung entschließt. Ich habe einen Freund in Townsville. Er ist der festen Überzeugung,
Weitere Kostenlose Bücher