Wer den Himmel berührt
sie an, als er ihr zunickte. »Ich habe gehört, Sie sind eine Patientin von Chris. Wie geht es dem alten Knaben, seit Izzie gestorben ist?«
Cassie setzte sich auf das Sofa. »Er scheint sich gut zu halten. Ich kann mir vorstellen, daß es ihn härter getroffen hat, als er nach außen hin zeigt.«
»Man weiß nie, was in Chris vorgeht«, sagte Romla, die in der Küchentür stand. »Er ist nie einer von der Sorte gewesen, die darüber redet, was in einem selbst vorgeht.« Sie warf einen Blick auf ihren Mann. »Aber andererseits scheinen Männer das nie zu tun. Chris ist nur noch zurückhaltender als die meisten anderen.«
»Er scheint alles in sich zu verschließen.«
Romla lachte. »Das liegt in der Natur des Mannes. Manchmal muß ich mich schon fragen, ob überhaupt etwas in euch drinsteckt. Sag, magst du eine Limonade?«
»Ja, sicher.« Cassie erwärmte sich schnell für Chris’ Schwester. Sie folgte Romla in die Küche.
»Ich bewundere Leute wie dich«, sagte Romla. »Eine Frau, die ihren eigenen Platz im Leben findet und sich durchsetzt, statt nur das zu sein, was von jeder Frau erwartet wird, nämlich Hausfrau und Mutter. Mir hängt mein Leben, das von diesen vier Wänden eingeschränkt wird, derart zum Hals heraus, daß es mich krank macht, und das einzige, was ich zu hören bekomme, ist, wie Rogers Arbeitstag verlaufen ist. Ich wünschte, ich hätte den Mut, das Leben an den Hörnern zu packen und mich aufzubäumen, zu bocken, meine Unruhe zu zeigen und selbständig etwas zu unternehmen. Jemand anderer zu sein als nur Mrs. Romla Peters. Oder ist das eine romantische Verklärung deiner Arbeit?«
»Ich habe das Gefühl, ich habe Glück gehabt«, sagte Cassie und nahm die Limonade entgegen. »Aber trotzdem werde ich eines Tages natürlich heiraten und Kinder kriegen.«
»Und deinen Beruf aufgeben?«
»Nun, die Liebe weckt schließlich Nestbauinstinkte in uns, oder etwa nicht?« Cassie dachte dabei daran, wie ihre Gefühle sich in der letzten Zeit verändert hatten und was Blake bei ihr auslöste.
»Ich nehme an, das stimmt«, sagte Romla und öffnete die Backofentür, um hineinzuschauen. »Aber wenn man sich erst einmal zurücklehnt und der romantische Aspekt seine Blüte überschritten hat und wenn man nichts anderes mehr tut als kochen und putzen, und dann kommt ein Mann nach Hause, der nicht gerade viel redet, und wenn er redet, dann nur über seine Arbeit und über Pferderennen, dann fängt man doch an, sich zu fragen, ob das alles ist, was das Leben einem zu bieten hat.«
Es klang nicht so, als wollte Romla sich beklagen. Sie schien erst beim Reden zu denken und sich selbst laut Fragen zu stellen. »Also, so was sollte ich ja nicht gerade zur Begrüßung zu dir sagen. Alles, was ich damit wirklich sagen wollte, ist, daß ich dich für das bewundere, was du tust.«
»Danke«, sagte Cassie. »Und außerdem vielen Dank für deine Hilfe.«
»In der Hinsicht helfe ich Chris schon seit Jahren aus. Wir haben es immer so eingerichtet, daß weder Roger noch Izzie etwas davon erfahren. Die beiden würden das nicht gutheißen. Aber Chris und ich sind schon immer auf derselben Wellenlänge gewesen, obwohl er soviel älter ist als ich, daß er eigentlich nicht in der Nähe war, als ich aufgewachsen bin.«
Cassie war überrascht. Sie hätte geglaubt, daß der Chris Adams, den sie kannte, und seine Schwester nichts miteinander gemeinsam hatten. Romla drehte sich zu Cassie um und sah sie an. »Als ich klein war, war er der sanftmütigste und geduldigste Mensch auf Erden. Als ich aufgewachsen bin, war er für mich ein Gott. Ich war am Boden zerstört, als er Izzie geheiratet hat und weit weggezogen ist. Aber wir haben einander jeden Monat geschrieben.«
War das der Chris, den Cassie kannte?
»Früher habe ich mich immer wieder gefragt, warum sie so weit draußen leben, so weit von jeder Zivilisation entfernt, so weit weg von … von mir. Aber ihm gefällt es, ein großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein. Er hat dieses Krankenhaus aufgebaut, verstehst du? Das Geld dafür hat er ganz allein aufgetrieben. Es hat ihn fünf Jahre gekostet. Natürlich war Isabel immer verstimmt darüber, dort draußen leben zu müssen. Ich bin nur ein paarmal dort gewesen. Aber vielleicht komme ich jetzt wieder zu Besuch.«
»Ihr habt euch nicht miteinander verstanden, du und Isabel?« Cassie wußte, daß es sie nichts anging.
»Nein.« Romlas Stimme war schroff. »Absolut nicht.« Sie öffnete die Backofentür und zog
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