Wer den Himmel berührt
heiraten. Wir lieben uns. Aber irgendwie ist es so gekommen, daß er gegangen ist, ehe wir irgendwelche Pläne schmieden konnten.«
»Dann bist du deshalb so traurig und nicht, weil du schwanger bist?«
»Wirke ich traurig? Ich bin verzweifelt darüber, daß er fortgegangen ist. Wir konnten uns noch nicht einmal voneinander verabschieden. Aber ich habe keinerlei Bedenken, was die Abtreibung angeht.« Sie dachte an die Ausschabung, die sie bei dem Mädchen aus Bagley Waters vorgenommen hatte, dessen Eltern nie auch nur erfahren hatten, daß ihre Tochter schwanger war. Irgendwann einmal würde sie mit dem Mädchen reden müssen. Sie warnen, damit sie es nicht wieder darauf ankommen ließ. Über Vorsichtsmaßnahmen mit ihr reden. »Vielleicht hätte ich unterbewußt gar nichts dagegen, etwas zu haben, was uns noch mehr aneinander bindet. Ich bekäme liebend gern ein Kind von ihm. Ich möchte viele Kinder von ihm haben. Aber nicht jetzt. Nicht allein. Nicht unverheiratet. Nicht …« Ihre Stimme verklang.
»Ich hatte letztes Jahr eine Abtreibung«, sagte Romla. »Noch nicht einmal Chris weiß etwas davon. Und Roger hat nicht die leiseste Ahnung. Ich wollte einfach nicht noch ein Kind. Es ist mir unerträglich, derart angebunden zu sein, wenn ich Terry und Pam auch noch so entzückend finde. Ich denke mir immer wieder, daß das Leben mehr als nur Putzen und Kochen für mich bereithält, und ich wollte einfach nicht … Ich verspüre keinerlei Schuldbewußtsein. Das einzige, was ich empfunden habe, war die Erleichterung darüber, nicht schwanger zu sein. Ich dachte, ich hätte aufgepaßt. Ich weiß nicht, wie es passieren konnte.
Manche der jungen Frauen, die Chris mir schickt, sind von Schuldgefühlen gepeinigt. Ihre Eltern haben ihnen gewaltsam eingetrichtert, daß Sex ohne Heirat die größte Sünde ist, die eine Frau begehen kann. Solange sie hier sind, weinen sie die ganze Zeit über. Roger kann das nie verstehen. Aber andererseits ist er von Natur aus nicht neugierig.«
Sie saßen schweigend da, während Cassie ihren Tee austrank und Gebäck dazu aß.
»Bist du eng mit meinem Bruder befreundet?«
Cassie sah sie an. »Das würde ich nicht sagen. Im Grunde genommen hätte ich es sogar für äußerst unwahrscheinlich gehalten, daß ich mich ausgerechnet ihm anvertraue. Aber meine beste Freundin ist in Irland. Mein Pilot, der ein guter Freund ist, ist beim Militär, und außerdem glaube ich, wenn er es wüßte, wäre er desillusioniert. Und der Vater des Babys … ich wußte einfach nicht, an wen ich mich hätte wenden können. Wir haben einander schon öfter ausgeholfen, dein Bruder und ich, aber eng befreundet sind wir nicht miteinander, nein, das könnte ich nicht behaupten.«
»Wir hatten verkorkste Eltern«, sagte Romla. »Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben, uns trotzdem prachtvoll zu entwickeln. Und dann hat natürlich Izzie ein schrecklich strenges Regiment geführt. Es wundert mich, daß sie all diese Jahre dort draußen verbracht haben, da ich weiß, wieviel sie dagegen einzuwenden hatte. Wahrscheinlich ist das das einzige, was er je getan hat, um sie vorsätzlich zu provozieren.«
»Alle, die ich kenne, scheinen begeistert von ihr gewesen zu sein.«
Romla warf Cassie einen haßerfüllten Blick zu. »Ich ganz bestimmt nicht.«
30
C assie beschloß, jeder Arzt sollte die Erfahrung gemacht haben, selbst einmal Patient zu sein, bei dem ein chirurgischer Eingriff vorgenommen wurde. Da sie jedoch wußte, wie einfach eine Ausschabung war, war sie nicht nervös. Dr. Hatfields Benehmen war förmlich gewesen, hatte aber doch offenkundiges Mitgefühl ausgedrückt. Romla hatte sie als Mary Stewart angemeldet. Hatfield stellte ihr keine persönlichen Fragen und erkundigte sich nicht nach den Gründen. Dagegen fragte er: »Sind Sie ganz sicher, daß das der Weg ist, den Sie einschlagen wollen?«
Sie zögerte keinen Moment lang. »Ich möchte in diesem Stadium meines Lebens kein Baby haben.«
Er sagte: »Wir werden eine Untersuchung vornehmen, um zu bestimmen, wie weit die Schwangerschaft schon fortgeschritten ist.«
»Es sind genau dreieinhalb bis fünf Wochen«, sagte sie.
Er zog eine Augenbraue hoch. »Sind Sie sicher?«
»Ich bin ganz sicher.« Das Kaninchen war gestorben.
»Lassen Sie mich Ihnen jetzt erklären, was wir tun werden.«
Sie hätte gern gesagt:
Ich weiß es ohnehin. Ich habe selbst schon Ausschabungen vorgenommen
, aus den verschiedensten Gründen, aber nie um einer Abtreibung
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