Wer den Himmel berührt
festen Händedruck. Sie sah gut aus, ohne wirklich hübsch zu sein. Ihre überschwengliche Art war ansteckend. Cassie war nicht sicher, ob sie sie erkannt hätte.
»Erinnerst du dich noch an mich? Ich bin Romla Peters«, sagte sie und packte Cassies Arm. »Komm, der Wagen wartet vor der Tür auf uns.« Sie führte Cassie mit schnellen Schritten dahin, wo sie den Wagen in der zweiten Reihe abgestellt hatte. Sie wurden schon von einem Hupkonzert begrüßt.
»Ich bin froh, daß du dich noch an mich erinnerst.« Cassie setzte sich auf den Beifahrersitz des Dodge.
Romla scherte in den Verkehr ein und fuhr gut, wenn auch schnell. Viele der Holzhäuser standen auf Pfählen, und Romla wies sie darauf hin. »Das macht man, um durch die Höhe die Brise vom Meer spüren zu können, und außerdem kann die Luft so auch unter den Häusern zirkulieren.«
»Wie malerisch«, sagte Cassie, die nie zuvor eine maritime tropische Stadt gesehen hatte.
»Malerisch ist das treffende Wort«, sagte Romla, als sie vor einem kleinen quadratischen Haus, das sich kaum von den Häusern unterschied, die es umgaben, in die Auffahrt fuhr. »Das reinste Provinzkaff.«
»Sehnst du dich nach einer Großstadt?«
Romla schüttelte den Kopf und öffnete die Tür. »Nicht unbedingt. Aber mir wäre es lieber, wenn etwas mehr los wäre. Ich würde gern mehr unternehmen.« Sie warf den Kopf zurück. »Aber das muß aus einem selbst kommen, stimmt’s? Man muß selbst dahinterkommen, was man braucht.«
Wie schon Sam, sagte auch Romla: »Du siehst ein wenig kränklich aus.« Sie hob Cassies Tasche aus dem Kofferraum. »Möchtest du das Abendessen vielleicht lieber im Bett zu dir nehmen?«
»Meine Güte, nein. Nachmittags und abends geht es mir besser als den ganzen übrigen Tag.«
»Du hast morgen früh um neun einen Termin bei Dr. Hatfield. Ist dir das zu früh?«
»Nein, das ist mir sehr recht.«
»Er ist einfach wunderbar. Ich gehe zu den jährlichen Vorsorgeuntersuchungen zu ihm, und er hat mich von Terry entbunden. Pamela ist schon geboren worden, ehe wir hierhergezogen sind.« Romla steckte den Schlüssel ins Schloß, und sie betraten ein kleines Zimmer, das in hellen Pastelltönen und Weiß gehalten war. Der Raum war so klein, daß er bedrückend hätte wirken können, aber Romla hatte ihm Charakter und Fröhlichkeit verliehen.
»In etwa einer Stunde gibt es Tee und belegte Brote. Dann kommt Roger von der Arbeit nach Hause, und Terry und Pam werden aus der Schule zurück sein. Terry ist erst sechs, bereite dich also auf Lärm vor. Pam ist mit ihren elf Jahren die ruhigere. Ich kann mir vorstellen, daß du nach einer so langen Busfahrt gern ein Bad nehmen möchtest. Hier, das ist das Bad, und dein Zimmer ist gleich daneben. Unser Zimmer ist auf der anderen Seite des Ganges. Wie du an all diesem Spielzeug leicht erkennen kannst, ist das Terrys Zimmer, aber er ist schon ganz aufgeregt, weil er auf dem Sofa schlafen darf.«
»Ich möchte euch keine Umstände machen.«
Romla schüttelte den Kopf. »Unsinn. Hier«, sagte sie und warf Cassies Tasche auf das schmale Bett. »Laß dir Zeit. Wenn du fertig bist – Limonade steht im Kühlfach.« Sie verließ das Zimmer, und dann streckte sie den Kopf noch einmal zur Tür herein. »Mein Mann glaubt, daß du hier bist, um wegen eines gynäkologischen Problems den Arzt aufzusuchen. Es braucht dir also nicht peinlich zu sein.«
»Das ist ja auch wahr.« Cassie packte ihre Sachen aus und lief durch den Gang zum Bad. Sie blieb in der Wanne liegen, bis sie eine männliche Stimme hörte und annahm, das müsse Romlas Mann sein. Polizist, hatte Chris gesagt, der jetzt auch für die zivile Verteidigung zuständig war. Townsville würde bestimmt niemand angreifen. Wie sehr die Menschen in Kriegszeiten doch außer sich gerieten. Wer hätte schon Australien angegriffen? Sie nahm an, wenn der wahre Krieg mehr als zehntausend Meilen entfernt ausgetragen wurde, dann fühlte man sich von den schaurigen Ereignissen auch zu Hause betroffen.
Nachdem sie einen marineblauen Leinenrock und eine hellblaue Baumwollbluse angezogen hatte, lief sie durch den Gang ins Wohnzimmer. Auf einem der zu prall gefüllten Polstersessel saß Roger Peters, trank Bier aus einer Flasche und hatte die Füße auf einen Polsterschemel gelegt. Er stand bei ihrem Eintreten nicht auf, doch Cassie nahm wahr, daß er umwerfend gut aussah, ein großer, kräftiger Mann mit dunklem Haar und einem gepflegten Schnurrbart. Seine dunklen Augen lächelten
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