Wer den Himmel berührt
Scones heraus. Sie dufteten einfach wunderbar. »Hier«, sagte sie und drückte Cassie einen Schneebesen in die Hand. »Schlag die Sahne in der Schüssel dort, ja? Erdbeeren gibt es auch. Klingt das nicht so, als sei es das wert, fast tausend Meilen dafür zurückzulegen?«
»O doch.«
Romla bewegte sich geschickt durch die kleine Küche. In ihren Bewegungen und Handgriffen drückten sich die Präzision und die Nüchternheit aus, die auch in ihrer klaren Stimme lagen. Die Wärme dagegen, die sie ausstrahlte, spiegelte sich nicht darin wider. Cassies Zuneigung zu dieser Frau wuchs in jedem Augenblick.
»Du kochst ganz offensichtlich gern«, sagte Cassie, während sie die Sahne schlug.
Romla lachte. »Ich hasse es. Ich täte viel lieber etwas Spannendes, als mir den ganzen Nachmittag über Mühe zu machen, die meine Familie dann innerhalb von fünfzehn Minuten zunichte macht. Ich wünschte, ich könnte in irgendeiner Form einer ausfüllenden und lohnenden Beschäftigung außerhalb des Hauses nachgehen.« Romla schaute aus dem kleinen Fenster über der Spüle. »Terry sollte jetzt jeden Moment kommen. Pam könnte ein bißchen später dran sein. Sie ist im Fußballteam für Mädchen. Wenn wir auf sie warten, ärgert sich Roger darüber, daß sein Abendbrot nicht fertig ist. Entweder ich habe seinen Abendbrot rechtzeitig fertig, oder er geht auf dem Heimweg in eine Kneipe und bleibt dort, bis sie um sechs Uhr schließt, und wenn er dann nach Hause kommt, ist ihm vollkommen egal, ob er noch etwas ißt oder nicht. Daher versuche ich, mich mit dem Abendessen zeitlich nach ihm zu richten. Er geht dann zwar später aus dem Haus, wahrscheinlich zum Dartspielen. Ich weiß nicht, was er tut.«
Cassie fand nicht, daß das nach einer idealen Ehe klang. So würde Blake sich nie verhalten, das wußte sie genau. Steven war auch nicht so. Ihr Vater war nicht so gewesen.
Terry, Romlas flachsblonder Sechsjähriger, kam zur Tür hereingestürmt, die Kniebundhose mit Schlamm bespritzt und ein schiefes Grinsen auf dem sommersprossigen Gesicht. Romla beugte sich herunter und umarmte ihn, ohne auch nur ein Wort über seine schmutzigen Kleider zu verlieren. Sie küßte ihn aufs Ohr, während er ihr die Arme um den Hals schlang. Dann richtete sie sich auf, lächelte sanft und sagte: »Wasch dir die Hände, Liebling.«
Sie deckte den Küchentisch und ging zur Wohnzimmertür. »Roger. Das Abendessen ist fertig.«
Es gab belegte Brote und einen Krug Milch, die Scones und Beeren, die bereitstanden, um mit geschlagener Sahne serviert zu werden. »Roger kommt mittags zu einer richtigen Mahlzeit nach Hause«, erklärte Romla. »Die Kinder auch. Ich hoffe, dir genügt das, was wir haben.«
Cassie hatte seit zehn Tagen keine komplette Mahlzeit mehr ansehen können. Beim Anblick des gedeckten Tischs wurde ihr übel. Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. »Entschuldigung«, sagte sie und lief ins Bad.
Eine Minute später kam Romla. »Warum legst du dich nicht einfach ins Bett? Ich bringe dir dann später eine Tasse Tee.«
Als sie dann eine Stunde später mit Tee und einem Scone ohne Beeren und Schlagsahne kam, setzte sie sich auf das Fußende des Bettes und sagte: »Das kann keinen Spaß machen, was?« Dann, als Cassie dankbar den Tee trank, fuhr Romla fort. »Wie ist dir bei der ganzen Geschichte zumute? Ich meine, ein Kind wegmachen zu lassen.«
Cassie dachte einen Moment lang darüber nach. »Für mich ist es kein Kind. Es ist ein Mißgeschick, das sich zu einer Tragödie ausweiten könnte. Für mich ist es kein menschliches Wesen, solange es nicht geboren ist. Es könnte ebensogut ein Tumor sein. Ich fühle mich frei von jedem Schuldbewußtsein, falls es das ist, was du wissen willst.«
Romla rollte sich auf dem Fußende des Bettes behaglich zusammen. »Ich weiß selbst nicht, was ich wissen will. Vielleicht frage ich dich auch, wie du zu dem Kerl stehst, der dich in diese Situation gebracht hat.«
»Es ist auch meine Schuld. Aber ich vermute, ich nehme ihm irgendwie übel, daß er fort ist und noch nicht einmal weiß, was ich hier durchmache und daß ich die Dumme bin. Natürlich ist es nicht seine Schuld, daß er so weit weg ist.«
»Würdest du ihn heiraten wollen?«
»Mein Gott, ja. Ich liebe ihn.«
»Warum dann das Ganze? Natürlich geht es mich nichts an. Ich frage aus reiner Neugier. Er liebt dich nicht?«
»Der Krieg ist schuld. Er ist zum Militär gegangen, ehe ich wußte, daß ich schwanger bin. Er würde mich jederzeit
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