Wer den Himmel berührt
auf ihren Arm. »Du wirst dich daran gewöhnen«, sagte er. »Wahrscheinlich ist Adams nervös. Wir stellen eine Bedrohung für ihn dar. Wir behandeln Patienten umsonst. Wir fliegen überallhin, wo sie in Schwierigkeiten stecken, um sie zu retten. Um uns werden sich Legenden spinnen, Doc –, das spüre ich in den Knochen, und er weiß nicht, wie er dann dasteht.«
Cassie sah ihn an. Vielleicht würde er doch kein Widersacher sein. »Du hast mich gestern abend zum Essen eingeladen. Laß dir heute von mir ein Bier ausgeben.«
Er lachte. »Tja, ich schätze, auch ich muß mich an einiges erst gewöhnen. Ich habe mir noch nie von einer Dame einen Drink ausgeben lassen.«
»Wir müssen uns beide an einiges gewöhnen.« Zu ihrem großen Erstaunen gefiel ihr diese Vorstellung.
6
A m nächsten Morgen fuhr Sam zum Frühstück zu »Addie’s«. Vor sich sah er einen zerbeulten alten Kombi zum Bahnhof rasen. Er erkannte weder den Wagen noch den jungen Fahrer wieder. Der junge Mann hielt mit kreischenden Bremsen an, sprang aus dem Lastwagen und rannte auf den Zug zu, der bereits einen warnenden Pfiff ausstieß. Der Junge sprang mit rasender Geschwindigkeit die Stufen eines der stählernen Waggons hinauf, und ehe Sam auch nur vorbeigefahren war, wurden zwei Koffer aus der Zugtür geworfen, der junge Fahrer sprang die Stufen des Waggons hinunter und hielt einen anderen jungen Mann am Kragen gepackt.
Sam grinste. Hatten sie sich wegen eines Mädchens zerstritten? Zwei Brüder, die Krach miteinander gehabt hatten? Als er vorbeifuhr, sah er, wie die beiden jungen Männer sich bückten, um die Koffer aufzuheben, und einer von ihnen klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Im Rückspiegel sah er, wie die beiden über den Bahnsteig auf den Wagen zuliefen, während der Zug davonfuhr.
Als er eine Dreiviertelstunde später bei »Addie’s« an der Theke sein Frühstück beendete und die dritte Tasse Kaffee trank, hatte er den Zwischenfall fast vergessen. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. »Sie gehören zu den Fliegenden Ärzten?« Als er sich umdrehte, sah er den staubigen jungen Mann, der den Lastwagen zum Bahnhof gefahren hatte.
»Ich bin Conway Sellars«, sagte der junge Mann. »Wir brauchen einen Arzt in Kimundra, auf dem Gehöft meines Vaters.« Sam sah den Jungen an. »Was ist passiert?«
»Meine Schwester bekommt ein Baby. Wir brauchen den Arzt ganz dringend.«
Ah. Dann mußte der junge Kerl, den er aus dem Zug gezerrt hatte, wohl vor der Vaterschaft davongelaufen sein.
»Mein Dad hat gesagt, ich soll einen Arzt holen und auf dem Rückweg nach Kimundra Padre McLeod mitbringen – er ist drüben auf Dexenheimers Gehöft.«
Sam zog die Landkarte aus seiner Gesäßtasche.
»Mein Dad hat gesagt, ich soll Ihnen sagen, daß er gleich neben dem Haus einen Streifen flaches Land hat, der sich gut für die Landung eines Flugzeugs eignet. Und den da müssen wir auch mitnehmen.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den jungen Mann, den er aus dem Zug gezerrt hatte.
Okay. Er, Cassie, der Geistliche und diese beiden jungen Männer. Klar, das würde das Flugzeug schaffen, solange sie kein Gepäck hatten und das Sauerstoffgerät nicht brauchten.
»Wann ist das Baby fällig?« fragte Sam und stieg von dem hohen Barhocker.
»Jede Minute.«
»Okay, dann holen wir den Arzt.« Sam warf einen Schein auf den Tresen und winkte der Kellnerin zu, die hinter der Bar stand.
Als er zu Cassie fuhr und die beiden jungen Männer ihm in ihrem Fahrzeug folgten, lachte Sam in sich hinein. Wie würde es erst werden, wenn sie ihren Dienst offiziell antraten, wenn es jetzt schon so zuging?
Cassie hatte ihren Morgenmantel noch an, zerzaustes Haar und Schlaf in den grauen Augen, als sie die Verandatür mit dem Fliegengitter öffnete. »O Sam«, murmelte sie und zog den Morgenmantel enger um sich. »Wie spät ist es? Ich glaube, ich habe den Schlaf der …«
»Komm schon«, sagte er. »Ein Baby kann jeden Moment auf die Welt kommen, du wirst gebraucht, und es sind zwei Flugstunden von hier aus.«
Fünfzehn Minuten später war sie fertig, und in der Zeit hatte er sich die Freiheit herausgenommen, in Fionas Küche einen Kaffee zu brühen. Er goß ihn – schwarz, stark und dampfend heiß – in die Thermosflasche, die er immer in seinem Wagen hatte, und als sie mit ihrer Arzttasche und der Sonnenbrille aus dem Haus gerannt kam, saß er hinter dem Steuer.
»Kein Hut?« Er zog die Augenbrauen hoch.
Sie warf ihre Tasche auf den
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