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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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einen Grashalm aus, ließ ihn über ihre Wange gleiten und lächelte. »Zwischen Grün unten und Grau oben oder Blau oben und Gold unten.«
    »Gold?« Cassie lachte. »Meinst du nicht, man sollte es eher Braun nennen?«
    »Das hängt davon ab, ob man es liebt oder nicht, nehme ich an. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders leben zu wollen. Meine Familie schreibt mir und fragt mich, was um alles auf der Welt man in einer Kleinstadt am Ende der Welt anfangen kann, und ich weiß nur, daß ich ununterbrochen beschäftigt bin. Ich langweile mich nie. Sie können sich nicht vorstellen, warum ich so weit weggehen wollte.«
    »Und warum wolltest du so weit weggehen?«
    »Oh, um der bloßen Herausforderung willen. Weil ich es aufregend finde, einen neuen Ort kennenzulernen. Ich mag keine Städte, und Irland, ach, ich weiß nicht. Es kommt mir wie die reinste Inzucht vor, obwohl die Leute dort weiß Gott so freundlich sind wie hier. Aber es hat diesen Inselcharakter. Es läßt einem keinen Raum, als gäbe es keine Zukunft. Ich habe mich immer von dem grauen Himmel und den steinernen Mauern erdrückt gefühlt. Und hier«, sagte sie mit einer ausholenden Armbewegung, »schränken mich keine Traditionen ein – es ist alles so neu, und es macht solchen Spaß. Ich bin in jedem Haus in der ganzen Stadt willkommen. Ich möchte eines Tages in der Lage sein, hier auch aufs Land rauszukommen, obwohl ich vermute, so nennt man es hier nicht.«
    »Vielleicht kannst du mal mit uns rausfliegen, wenn wir an einem Wochenende zu einem Notfall gerufen werden.«
    Fionas Augen leuchteten. »Das täte ich zu gern. Ich bin noch nie geflogen, und dabei habe ich es mir schon als Kind gewünscht. Ich vermute, ich mag alles, was neu und anders ist …«
    »Und auch ein bißchen gefährlich?« fiel ihr Cassie ins Wort.
    »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.« Sie hockte sich auf ihre Fersen, schlang die Arme um die Knie und schaute Cassie an. »Und was ist mit dir?«
    »Zwanzig Jahre lang«, begann Cassie, »habe ich von meinem Heimatland nicht mehr zu sehen bekommen als drei Wochen jeden Sommer, wenn meine Mutter und ich nach Hause gereist sind, um meine Großeltern zu besuchen.«
    Ihr Vater hatte sich als Berufskonsul im diplomatischen Korps hochgearbeitet. Seine erste Versetzung, als sie sechs Jahre alt gewesen war, war nach San Francisco gewesen, und dort war sie eingeschult worden. Die anderen Kinder hatten sich über ihren Akzent lustig gemacht. Sie hatte sehr hart daran gearbeitet, wie eine Amerikanerin zu reden. Ihre Eltern liebten San Francisco, wo ihr Vater Konsul war. Sie hatte sich nach Sydney und dem großen viktorianischen Haus ihrer Großeltern gesehnt, mit dem roten Dach und dem Ausblick auf den Hafen, und sie hatte sich auch nach Kindern zurückgesehnt, die so redeten wie sie und die Spiele spielten, die sie kannte. Sechs Jahre später, als sie gerade soweit amerikanisiert war, daß sie sich dort heimisch fühlte und die achtundvierzig Bundesstaaten besser kannte als ihre Mitschüler, als sie gerade begonnen hatte, amerikanische Slangausdrücke flüssiger zu gebrauchen als die australischen, die sie nahezu vergessen hatte, wurde ihr Vater nach London versetzt.
    Dort sprachen sie wiederum ein ganz anderes Englisch. Das graue Wetter und die kalten, klammen Winter deprimierten Cassie. Sogar ihre Mutter stöhnte über den Umstand, daß sie von diesem Klima ohne Zentralheizung »Frostbläschen« bekäme. Nach Australien und Amerika fand sie die Briten schrecklich steif. Sie hielten die Tradition hoch, während die beiden anderen Nationen sich gegen jede Autorität auflehnten. Sie fühlte sich in London nie zu Hause, und es war ihr verhaßt, in ein Internat geschickt zu werden und ihre Eltern nur an den Wochenenden zu sehen.
    Wenn sie sich darüber beklagte, tätschelte ihre Mutter ihren Kopf und sagte: »Weißt du, mein Liebling, hier drüben hält man es anders mit der Schulbildung. Es gibt keine wirklich guten Schulen, die du täglich besuchen könntest. Hier verläßt man sich ganz auf Internate. Du weißt doch, daß dein Vater ein Internat besucht hat, weil er im Busch gelebt hat. Es gab keine andere Möglichkeit, eine gute Schulbildung zu erwerben. Die einzig guten Schulen in England, Liebling, sind Internate. Die meisten Kinder fahren noch nicht einmal an den Wochenenden nach Hause.«
    Das wußte Cassie. Und sie wußte auch, daß ihre Eltern abends ausgingen, wenn sie zu Hause war. Für das diplomatische Korps bestanden

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