Wer den Himmel berührt
die du um dich herum aufbaust, zwischen dir und den Männern, ist beinah sichtbar.«
»He, mir gefällt mein Leben ziemlich gut so, wie es ist.«
Fiona saß auf dem hochlehnigen Stuhl, dem einzigen in der Küche. »Du bist netter zu Horrie als zu Sam. Und du bist nett zu Steven Thompson, weil er alt genug ist, um dein Vater sein zu können. Aber warte nur, bis du seinen Sohn kennenlernst. Blake wird eine Bedrohung für dich darstellen, und zwar eine enorme, und ihm gegenüber wirst du dich noch reservierter verhalten, als du es bei Sam tust. Ist dir eigentlich klar, daß du dich in Gegenwart von Männern, die du attraktiv finden könntest, wie ein Mann benimmst?«
»Du bist auf dem Holzweg. Ich habe guten Grund, mich Männern gegenüber reserviert zu verhalten, und das hat keineswegs alles nur mit Ray Graham zu tun. Ich mußte mich durch mein gesamtes Medizinstudium durchkämpfen. Ist dir klar, daß sie in jeder einzelnen Stunde Anatomieunterricht, die ich je gehabt habe, abfällige Bemerkungen über Frauen gemacht haben, und dabei haben sie mich angeschaut, weil sie sehen wollten, ob ich es verkrafte.« Cassie verkrampfte sich. »Ist dir eigentlich klar, wie sehr sich die Männer von einer Frau bedroht fühlen, die in Bereiche vordringt, die sie als rein männliche Domänen ansehen?«
Fiona pochte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »Weißt du was? Ich bin noch nicht einmal sicher, ob die Geschlechter einander mögen. Ich glaube, wir fühlen uns vom anderen Geschlecht bedroht. Und verunsichert. Aber wir fühlen uns auch dazu hingezogen. Vielleicht ist das so elementar wie der Sex. Vielleicht ist es das Verlangen, das Gefühl zu haben, für einen anderen der wichtigste Mensch auf Erden zu sein, und wenn wir mit jemandem unsere persönliche Ewigkeit verbringen, dann ist das höchstwahrscheinlich ein Mann. Vielleicht kommt das daher, daß wir zwei Teile eines Ganzen sind. Yin und Yang. Und wenn wir einander vielleicht auch nicht mögen, so können wir einander doch lieben, und wir wollen uns in den Augen eines Mannes als schön ansehen. Wir spielen unsere Spielchen mit dem anderen Geschlecht, aber nicht mit unseren guten Freunden. Und doch haben sich über Jahrtausende Männer und Frauen unvollkommen gefühlt, solange sie nicht einen Angehörigen des anderen Geschlechts im Schlepptau hatten.«
Fiona hatte recht. Wenn sie auch noch so genau wußte, daß sie immer dann Mauern um sich herum aufbaute, wenn ein attraktiver Mann auch nur in einem Randbezirk ihres Lebens auftauchte, dann war sich Cassie doch irgendwo nur allzusehr darüber im klaren, daß sie sich in ebendiesen Momenten fragte, wie sie wohl aussah, ob ihr Haar gekämmt war, ob ihr Lippenstift frisch genug aufgetragen war und ob dieser Mann sie ansah.
»Ich verstehe das nicht, Cassie. Ich mag Frauen lieber. Zu meinen Freundinnen hatte ich eine größere Nähe, wenn ich auch mit den meisten von ihnen ganz bestimmt nicht so reden würde. Nur mit dir und Ally …« Ally war Fionas kleine Schwester, »,,, kann ich über diese Dinge reden«, fuhr Fiona fort. »Nur zu dir und Ally kann ich sagen: Ja, ich habe mit einem Mann geschlafen, mit dem ich nicht verheiratet war, und, Herr im Himmel, es hat mir Spaß gemacht. Ich fand es einfach toll. Und irgendwo liebe ich den Kerl immer noch, obwohl ich ihn inzwischen nicht mehr besonders gern mag.«
Cassie seufzte. »Fiona, du bist so ziemlich der netteste Mensch, der mir je begegnet ist. Selbst als meine Mutter noch am Leben war, konnte ich nicht so mit ihr reden.«
»O Cassie, wir erzählen unseren Müttern nie, wie wir in Wirklichkeit sind, weil wir viel zu großen Wert auf ihre Anerkennung legen. Meine Mutter hat es kaum verkraftet, wenn ich ›Scheiße‹ gesagt habe. Aber einer guten Freundin gegenüber öffnen wir uns, und das trägt dazu bei, die Freundschaft zu festigen. Wir können offen und aufrichtig sein, und dann suchen wir dasselbe bei einem Mann und hoffen, daß er nicht nur unser Geliebter, sondern auch unser bester Freund sein wird, und dazu kommt es einfach nicht. Wir müssen ihm gefallen. Unseren Freunden brauchen wir nicht zu gefallen. Versteh mich nicht falsch. Für eine Freundschaft müssen wir etwas tun, wir müssen Zeit darauf verwenden, und wir müssen sie hegen und pflegen. Es ist der einzige Bereich im Leben, in dem wir unser wahres Ich zeigen können.«
»Ich glaube, du bist die erste echte Freundin, die ich je gehabt habe«, sagte Cassie.
»Ich habe mein ganzes Leben lang gute
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