Wer den Himmel berührt
Freundinnen gehabt, aber nie jemanden wie dich. Ich hätte nie jemand anderem die Dinge erzählt, die ich dir erzählt habe.«
Cassie ging zu Fiona, streckte eine Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter. Dann beugte sie sich herunter und küßte Fiona auf die Wange.
»Ich bin in den Busch gekommen, um vor Dingen wegzulaufen, um zu fliehen. Und statt dessen könnte es passieren, daß ich hier mich selbst finde, und das habe ich zum Teil dir zu verdanken.«
In dem Moment läutete das Telefon, und Fiona sprang vom Stuhl auf. Im nächsten Moment kam sie zurück. »Es ist für dich. Ein Notfall in Tookaringa.«
»Nicht die Funkzentrale?«
»Ein Direktruf. Horrie hat ihnen gesagt, wo du zu finden bist.«
Da die wenigen Telefonleitungen im Busch mit einfachsten Mitteln an Zäunen und Bäumen befestigt waren, funktionierte das Telefonnetz nicht immer.
Jennifers Tonfall war eindringlich. »Cassie, Gott sei Dank. Wir haben hier ein Problem. Steven ist nicht da, aber reden Sie mit meinem Sohn, es ist wirklich eilig.«
Eine ihr unbekannte männliche Stimme ergriff das Wort. »Wir haben gerade Tennis gespielt, als Eva Paul, unser Gast, ihren Schläger hingeworfen hat. Sie hat mit den Händen ihre Kehle umklammert, mit den Füßen auf den Boden gestampft und gespuckt. Eine Hornisse ist ihr in den Mund geflogen und hat sie gestochen. Es ist noch keine fünfzehn Minuten her, seit das passiert ist. Sie hat sie hinten in die Zunge gestochen. Ihre Zunge ist geschwollen, und sie hat Atemnot. Sie ist in heller Panik. Wir flößen ihr kalte Getränke ein und versuchen, mit Eis gegen die Schwellung anzugehen.«
Im Hintergrund konnte Cassie Evas röchelnden Atem hören.
»Sie läuft blau an, ihr Gesicht und ihre Lippen sind käsig, und sie schwitzt wie ein angestochenes Schwein.«
Oh, lieber Gott im Himmel, dachte Cassie.
»Wie schnell können Sie herkommen?« fragte Blake Thompson.
»Bis ich dasein könnte, wäre sie längst tot. Sie werden einen Luftröhrenschnitt durchführen müssen.«
»Was?«
»Sie müssen dringend …«
»Was muß ich tun?«
»Hören Sie mir jetzt ganz genau zu. Eine Schwellung der Epiglottis blockiert den Zugang zur Luftröhre und kann zum Tod durch Ersticken führen. Sie werden direkt unter dem Adamsapfel einen kleinen Schnitt in die Luftröhre machen müssen.«
Am anderen Ende herrschte Stille.
Cassie fuhr fort. »Sorgen Sie dafür, daß, während wir miteinander reden, jemand ein kleines scharfes Messer sterilisiert, und zwar schnell, und ein kleines Stückchen Gummischlauch findet, vielleicht im Geräteschuppen. Vielleicht haben Sie einen Gummischlauch, um Benzin anzusaugen. Beeilen Sie sich!
Hören Sie mir aufmerksam zu, damit Sie mich genau verstehen. Am hinteren Ende der Zunge ist der Schlund, unter dem sich die Kehle in zwei Röhren teilt. Die eine ist dafür da, Nahrung und Flüssigkeit zu schlucken, und die andere ist zum Luftholen da. Das ist die Luftröhre. Sie hat ein Klappventil, das sich schließt, wenn Nahrung geschluckt wird. Eine Schwellung versperrt den Eingang der Luftröhre; wenn nicht schnell etwas unternommen wird, erstickt sie und stirbt. Wenn wir im Krankenhaus wären, könnte ein kleines Röhrchen in die Luftröhre eingeführt werden, aber Sie sind vierhundert Meilen vom nächsten Krankenhaus entfernt.«
»Ich habe nie andere Eingriffe vorgenommen als das Kastrieren von Jungtieren.«
»Entweder Sie tun es, oder sie stirbt, und zwar innerhalb von wenigen Minuten. Bald wird der Sauerstoffmangel sie ins Koma versetzen. Holen Sie Ihre Mutter ans Telefon, und ziehen Sie das Sofa dicht ans Telefon, während ich mit ihr rede. Holen Sie augenblicklich ein paar von Ihren Männern ins Haus. Sie werden starke Männer brauchen, die Ihnen dabei helfen müssen, sie festzuhalten.«
Jennifers Stimme kam durch die Leitung. »In Ordnung, Cassie, er zieht das Sofa gerade rüber, aber ich glaube, Eva wird bewußtlos. O mein Gott! Gott sei Dank haben wir noch zwei andere starke Männer in der Nähe. Was kann ich tun?«
»Sie können sich hinstellen und den Hörer an Blakes Ohr halten oder jedes Wort, das ich sage, an ihn weitergeben. Wenn das Sofa jetzt dicht genug am Telefon steht und er sie operieren und mich gleichzeitig hören kann, dann ziehen Sie ihren Kopf und ihren Hals über die Armlehne des Sofas und holen Sie den kräftigsten Mann im Raum …«
»Das ist Blake.«
»Dann eben den zweitkräftigsten.« Um Himmels willen, kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit
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