Wer den Himmel berührt
hinunter und streckte eine Hand aus, um Fiona behilflich zu sein. Cassie blieb eine Minute lang in der Tür stehen und schaute auf die Menschenmenge hinunter. Es ging so hektisch zu wie in einem Bienenstock.
Ein großer schlanker Mann, der eine eierschalenfarbene Reithose trug, wie sie die Schafzüchter bevorzugten, drückte Sam die Hand. Cassie stieg die Stufen hinunter.
»Das ist Dan Mason«, sagte Sam, als er sie einander vorstellte. »Ihm gehört Burnham Hill.«
»Woher kommen all diese Menschen?« fragte Cassie.
Mason winkte ab. »Manche von ihnen sind von den Opalfeldern gekommen, fast dreihundert Meilen von hier, und sie haben über Nacht ihr Lager hier aufgeschlagen. Andere kommen von allen benachbarten Höfen in der Umgebung, die bis zu achtundsiebzig Meilen von hier entfernt sind. Die Schwarzen sind vorwiegend aus den Hügeln gekommen, und die Eisenbahner haben sich alle zusammengetan und sind in diesem Lastwagen dort drüben hergekommen, der wie ein Bus aussieht. Sie leben neben den Strecken, die im Bau befindlich sind. Hier werden Sie den ganzen Tag zu tun haben, Doc.«
Doc. Ausgerechnet das schon wieder.
Cassie wandte sich an Sam. »So viele Menschen haben wir im ganzen ersten Monat insgesamt nicht gesehen.«
»Brauchst du Hilfe?« fragte er.
Sie zuckte die Achseln. »Warum? Willst du mit den hübschen Mädchen flirten? Geh schon. Ich gebe dir Bescheid, falls ich dich brauche.«
Sam sah sie ganz seltsam an und beugte sich vor, um etwas zu Fiona zu sagen, ehe er sich entfernte.
Dan Mason sagte: »Als uns heute am frühen Morgen allmählich klargeworden ist, wie viele Leute hergekommen sind, haben wir dieses Zelt aufgebaut, das wir gewöhnlich nur für Parties benutzen, um uns gegen die Sonne zu schützen. Nancy, meine Frau, kommt gleich. Sie ist noch im Haus und versucht, eine Mahlzeit für all diese Menschen zu richten. Sie sagt, wenn Sie etwas brauchen, sollen Sie ihr Bescheid geben. Zum Beispiel Wasser, oder was immer Sie gebrauchen können. Außerdem haben wir diesen Tisch hier aufgebaut. Was brauchen Sie sonst noch?«
»Das genügt schon«, sagte Cassie.
»Kann ich irgend etwas tun?« fragte Fiona.
»Klar. Ich brauche medizinische Aufzeichnungen zu jedem einzelnen Patienten. Willst du die Angaben schriftlich für mich festhalten?«
»Liebend gern.« Ihre Augen leuchteten, als Cassie ihr ein Notizbuch reichte.
Cassie impfte die Leute und zog noch mehr Zähne. Sie hatte keine Ahnung gehabt, daß so viele Menschen unter Zahnschmerzen litten – es schien das weitaus verbreitetste Leiden im Busch zu sein. Vielleicht sollten sie sich eines Tages Gedanken darüber machen, auf diese Behandlungsreisen einen Zahnarzt mitzunehmen. Sie öffnete ein Geschwür und fragte sich, warum alle Eingeborenenkinder entzündete Augen und laufende Nasen hatten. Fliegen versammelten sich um ihre Augen herum und sorgten dafür, daß sich die bereits infizierten Bereiche noch schlimmer entzündeten.
Ein Fall von eitriger Angina war unter den Patienten, ein gebrochener Knöchel, Bänderrisse, Magenverstimmungen, Prellungen, Verbrennungen, ein gebrochener Arm, der nicht ordentlich geschient worden war, und außerdem drei schwangere Frauen, denen Cassie sagte, sie würde sie in einem der Schlafzimmer untersuchen, falls sich das einrichten ließe.
Um ein Uhr kam Nancy Mason aus dem Haus und wischte sich die mehlbestäubten Hände an einer Schürze ab, die sie sich um ihren üppigen Körper gebunden hatte. »Das Essen ist fertig!« rief sie. »Wir werden es wie ein Büfett aufbauen müssen. Ich habe nicht genügend Tische und Stühle für euch alle.« Genug zu essen hatte sie jedoch.
An einem Ende des langen Tischs, der aus dem Eßzimmer auf die Veranda getragen worden war, lag ein riesiger Schinken. »Stellt euch dort drüben an«, wies Nancy die Leute an. »Dann sollte eigentlich alles reibungslos ablaufen.« Sie wandte sich an Fiona. »Ich kann nur beten, daß genug für alle da ist. Wer hätte schon erwartet, daß vierundvierzig Leute auftauchen?«
Es gab Kartoffelauflauf und große selbstgebackene Brotlaibe, dazu ganze Platten voller scharf eingelegtem Gemüse und einen Berg Kohl, Salat aus Apfelscheiben und geraspelten Karotten, einen Auflauf aus Pastinaken und Karotten, der im Ofen gebacken worden war, Tomatenscheiben und grüne Bohnen mit Mandelsplittern. Auf einem weiteren kleinen Tisch standen fünf Kuchen. Nancy beantwortete Cassies unausgesprochene Frage: »Diese Kuchen sind mitgebracht worden. Ich
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