Wer den Himmel berührt
hin. Es war eine schlimme Verletzung; der junge Mann war blaß und stand unter Schock, und sein Atem ging zu schnell. Sie fühlte ihm den Puls. »Einundvierzig«, sagte sie laut.
»Ist das schlimm?« fragte der Polizist.
»Und so, wie es aussieht, wird es noch schlimmer werden«, sagte Cassie. »Er liegt im Koma.« Sie schaute zu den beiden jungen Männern auf, die immer noch dastanden.
»Wie lange ist er schon bewußtlos?«
Sie sahen einander an, und einer von ihnen zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Wir haben ihn angeschrien und gekniffen, aber er hat nicht reagiert.«
Cassie legte einen Knöchel auf sein Brustbein und drückte fest zu.
»Was soll das bewirken?« fragte Polizeichef Lewis.
»Das verursacht Schmerz, falls er überhaupt etwas empfindet, aber er reagiert nicht im geringsten darauf. Wenn wir nichts tun können, ist es um ihn geschehen.«
»Was soll das heißen?« fragte einer der jungen Männer.
Cassie sagte: »Ich muß ihn operieren.«
»Hier?« fragte der Polizist.
»Hier«, sagte Cassie.
»Kommt schon, Leute«, sagte Sam. »Helft mir, hier sauberzumachen.«
»Selbst dazu bleibt uns keine Zeit«, sagte Cassie. »Ich muß die Operation sofort vornehmen. Können Sie Wasser für mich abkochen? Ich brauche welches. Gibt es noch eine zweite Lampe?« Sie wandte sich an Sam. »Ich muß es hier auf dem Boden tun. Ich glaube nicht, daß er auch nur hochgehoben werden sollte.«
Sam nickte. »Wasser«, sagte er noch einmal zu den jungen Männern, die sich nicht von der Stelle gerührt hatten.
»Ich muß mir die Hände waschen, ehe ich anfange«, sagte sie, obwohl ihre Gummihandschuhe steril waren. Es trieb sie zur Verzweiflung, unter solchen Bedingungen operieren zu müssen, und doch konnte sie spüren, wie das Adrenalin bereits zu fließen begann und Energie sie durchströmte.
»Ich weiß nicht, wo noch eine andere Lampe ist«, sagte der junge Mann, der dageblieben war.
»Ich habe eine Taschenlampe im Wagen«, sagte der Polizeichef Lewis.
Das war immerhin besser als nichts.
Sam kniete sich neben sie und flüsterte: »Du bist nervös, stimmt’s?«
Sie nickte.
»Du schaffst es, Doc. Ich weiß, daß du es schaffen kannst.«
»Er hat schon soviel Blut verloren.«
»Wenn ihn jemand retten kann, dann bist du es.«
Cassie öffnete ihre Arzttasche und begann mit den Vorbereitungen.
Innerhalb von fünfzehn Minuten war sie dabei, den Eingriff vorzunehmen. Die beiden jungen Männer verließen das Zimmer, aber zu Polizeichef Lewis sagte Cassie: »Ich werde Ihre Hilfe brauchen. Waschen Sie sich die Hände.«
Sie reichte Sam den Äther und eine Gazemaske und sagte: »Du brauchst ihn nicht zu betäuben, nur dann, wenn es scheint, als käme er zu Bewußtsein. Aber du wirst mir bei der Operation helfen müssen.«
Sie machte einen langen Schnitt vom Brustbein bis mitten in die Achselhöhle. »Und jetzt müssen Sie die Knochen zurückziehen, und damit meine ich, daß ihr wirklich fest von beiden Seiten an den Rippen ziehen müßt, damit ich sehen kann, was los ist.«
Die beiden Männer sahen erst sie und dann einander an, ehe sie sich in dem schwachen Lichtschein neben sie auf den Boden knieten. »Macht schon, zieht!«
Sie zogen. »Ich muß versuchen, dort hineinzusehen«, sagte sie, als sie die Haut zur Seite hielten. »Zieht diese Knochen zurück.«
Endlich sah sie, daß eines der großen Blutgefäße, die Aorta, von der Kugel aufgeschlitzt worden war. »O Gott«, sagte sie.
»Da ist eine enorme Blutmenge, die ich absaugen muß. Haltet weiterhin diese Knochen fest. Zieht sie auseinander!« Sie glaubte nicht, jemals zuvor soviel Blut gesehen zu haben.
Als sie soviel wie möglich aufgetupft hatte, nähte sie die Aorta zu. »Okay«, sagte sie zu Sam und Polizeichef Lewis. »Jetzt könnt ihr loslassen. Ich glaube, daß er zuviel Blut verloren hat. Sam, miß ihm den Blutdruck.«
Sam griff nach der Manschette und dem Stethoskop, wickelte die Manschette um den linken Arm des Patienten und pumpte sie auf. »Der Blutdruck sinkt schnell«, sagte er.
Cassie nickte. »Sein Puls rast so sehr, daß er unregelmäßig schlägt.«
Die drei knieten immer noch auf dem Boden und starrten den Patienten an. Schließlich stand der Polizeichef auf. »Meine Knie spielen auf diesem harten Boden nicht mehr mit.«
Als Cassie ihn ansah, stellte sie fest, daß das Herz des Patienten stehengeblieben war. »O Jesus«, flüsterte sie. »Ich muß das Herz massieren.«
»Es massieren?« fragte der Polizist, und seine Stimme
Weitere Kostenlose Bücher