Wer den Tod begruesst
Kincaids Reich von nahem und persönlich erlebt hatte. Er würde diese Art von Reichtum nie begreifen. Mann, sie gaben wahrscheinlich in einem Monat mehr für Blumenarrangements aus, als er in einem Jahr bei der Army verdient hatte.
Als er und Jillian wieder in ihrem Penthouse waren, hatte sich Nolan einige bedeutende Fakten klar gemacht. Er war nie etwas anderes gewesen als ein Arbeitnehmer – wenn auch im Moment eher widerstrebend. Er war ein echter Prolet, verdiente wenig, war schlicht. Bis zu dem Tag, an dem sein Bruder ihn aus seinem Vollrausch gerissen hatte, war er ein völlig fertiger Ranger gewesen … jemand, der kurz davor war, in den Alkoholismus abzugleiten und nichts weiter vorzuweisen hatte als eine Vergangenheit voller Gewalt und eine Zukunft ohne Sicherheit. Eine Zukunft, die im Moment nicht weiter reichte als sein gegenwärtiger Auftrag.
All das führte zu einem mehr als offenkundigen Schluss. Ein Auftrag war alles, was Jillian Kincaid immer für ihn sein würde. Als sie ihn in der vergangenen Nacht mit ihren Blicken gesucht, als sie nach seiner Hand gegriffen hatte, als wäre er der Einzige für sie auf der Welt, der Einzige, der ihr jemals Sicherheit geben könnte, hatte er das vergessen. Er hatte es persönlich werden lassen.
In dem Moment der Verwirrung hatte er sich gestattet zu glauben, dass tatsächlich mehr zwischen ihnen sein könnte. Was für ein verdammter Blödsinn. Frauen wie sie standen finanziell und sozial so weit über ihm, dass er schon bei dem Gedanken, wie weit er nach oben klettern müsste, um die gleiche Luft zu atmen, Nasenbluten bekam. Und er hatte sich doch tatsächlich schon mit ihr im Bett gesehen! Nie im Leben!
Aber der echte Hammer war Folgendes: Er hatte diesen Job angenommen und alles verachtet, wofür sie stand. Und innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte er all diese Dinge – die Haltung, den Schliff, die Prinzessinnen-Aura – zu respektieren gelernt.
Er hatte sie auch nicht mögen wollen. Aber nachdem er gesehen hatte, woher sie kam und was sie aus sich gemacht hatte, und zwar aus eigener Kraft, fühlte er sich verdammt schuldbewusst. Sie hätte sich einfach nur treiben lassen können, aber sie hatte den harten Weg gewählt.
Sie verdiente seinen Kummer nicht. Und erst recht nicht seine unzulänglichen Bemühungen, sie zu beschützen. Er hatte ihr letzte Nacht ein Versprechen gegeben. Er hatte ihr gesagt, dass keiner an ihm vorbei- und an sie herankäme. Er hatte es ernst gemeint. Er meinte es genauso ernst wie dieser Psychopath, der sie töten wollte. Er hatte es zugelassen, dass er sich persönlich engagierte. Trotz all seiner Anstrengungen.
Persönlich engagiert zu sein würde sie aber nicht schützen. Sich von ihr zu lösen würde es tun.
Ab jetzt würde er genau das tun. Ab jetzt würde er einen kühlen Kopf bewahren und die Dinge sauber trennen.
Um den Job zu leisten, von dem er am meisten verstand, musste er sich wieder auf das Wesentliche besinnen. Er war nicht ihr Freund. Er war nicht ihre Klagemauer. Er war nicht ihr neuer Liebhaber.
Jillian Kincaid war ein Job. Punkt.
Und er war ein Eunuch.
Er sah sie nicht. Er roch sie nicht. Er begehrte sie nicht.
Er war ihr Beschützer. Ihr Bodyguard. Nicht mehr. Nicht weniger.
Finster blickte Jillian über die Küchentheke hinweg zu ihrem Wohnzimmer, wo ihr Bodyguard auf dem Sofa vor sich hingrübelte.
»Möchten Sie mir vielleicht sagen, was mit Ihnen los ist?«, fragte sie schließlich und ging mit ihrem Glas Wein hinüber ins Wohnzimmer.
Er sah von seinen Notizen hoch, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Ich arbeite nur.«
»Sie arbeiten. Gut. Ist Ihnen klar, dass Sie seit zwei Stunden kein Wort gesagt haben?«
Sogar als er antwortete, würdigte er sie keines Blickes. »Wusste nicht, dass Sie meine Zeiten stoppen.«
Das reichte ihr. »Warum benehmen Sie sich so?«
Endlich sah er von seiner kostbaren Liste der Verdächtigen auf, der Blick seiner blauen Augen verriet nichts als Langeweile und wie lästig ihm ihre Gegenwart war. »Wie soll ich mich denn benehmen?«
»Oh, ich weiß nicht … vielleicht wie ein menschliches Wesen?«
Er schoss ihr einen Blick zu. »Dieses Memo muss ich verpasst haben«, sagte er und wendete sich wieder seinen Notizen auf dem gelben Block zu.
»Gibt es eine Regel oder etwas dergleichen, die besagt, dass wir nicht höflich zueinander sein dürfen?«
Er gab einen abgrundtiefen Seufzer von sich. »Hören Sie, wenn Sie professionelle Bodyguard-Dienste
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