Wer den Tod begruesst
Ich habe zu arbeiten.«
So weit Plan B, dachte Nolan, als er Jillian über den Flur ins Studio folgte. Er hatte beschlossen, auch wenn es sie verärgerte, sich strikt professionell zu verhalten. Bisher hatte er sich wie ein kompletter und totaler Trottel aufgeführt.
Tja, es gab Rollenfestlegungen, und dann gab es auch noch Rollenfestlegungen. Er war ein Trottel. Und bisher war seine Methode, professionelle Distanz herzustellen, ungefähr so effektiv wie der Versuch, einen Bock zu melken.
Außer vielleicht, was ihre Verärgerung betraf. An der Front konnte er Erfolg vermelden. Mann, sie war vielleicht wütend.
Und verletzt, wenn er den Ausdruck in ihren grünen Augen richtig deutete.
Er biss die Zähne zusammen und stählte sich innerlich gegen einen ungewollten Anfall von Bedauern.
Die Mission war erfolgreich gewesen. Eine notwendige Mission. Er hatte bei ihr seit Samstag einen bestimmten Blick ein wenig zu häufig registriert – einen Blick, der darauf hindeutete, dass sich ihre Gefühle für ihn verändert hatten … dass »Freundschaft« vielleicht gar nicht so weit außerhalb des Radarschirms lag. Dass vielleicht sogar noch mehr möglich wäre, wenn er es wollte.
Diese Überlegungen führten in die Irre.
Er machte eine Bestandsaufnahme des Studios und der Mitarbeiter um sie herum, von denen jeder Einzelne ihr Stalker sein konnte.
Diane Kleinmeyer erkannte er von Jillians Beschreibung. Anfang dreißig mit kurzen, spülwasserblonden Haaren und ständigem Stirnrunzeln, war die Produzentin groß und schlank und überaus geschäftig. Sie trug einen männlichen, braunen Hosenanzug und bewegte sich wie ein Bulldozer, der innerhalb von vierundzwanzig Stunden eine Ortschaft platt machen sollte. Obgleich sie schwer zu durchschauen war, fand Nolan, dass sie eher gestresst als feindselig reagierte, als Jillian ihn kurz und knapp vorstellte.
»Bodyguard? Hm. Tja, na gut. Bringen wir es hinter uns.« Ohne ihn aus den Augen zu lassen – und ohne ein »Halten Sie sich die Ohren zu« –, führte Kleinmeyer die silberne Pfeife, die ihr an einem Lederband um den Hals hing, zum Mund und pfiff.
Nolan zuckte zusammen, hielt sich die Ohren zu und erwartete eigentlich, dass jeder Hund im Umkreis von hundert Meilen ins Studio gerannt käme. Es tauchte zwar keiner auf, dafür jedoch alle zweibeinigen Kreaturen auf dem Flur. Offenbar hatte die Pfeife einen ziemlichen Einfluss.
»Hört mal, Leute«, sagte Kleinmeyer, als alle, von den Redakteuren über die Kameraleute bis hin zu den Maskenbildnern, sich um sie herum versammelt hatten. Sogar Grant Wellington kam herangeschlendert, auch wenn er gelangweilt und genervt aussah.
»Ihr alle habt von den Todesdrohungen gehört, die Jillian erhalten hat«, erklärte die Produzentin der Gruppe. »Wir alle haben uns Sorgen gemacht. Ich freue mich, euch Nolan Garrett vorstellen zu können. Mr. Garrett sorgt für Jillians Schutz. Also, jetzt wisst ihr genauso viel wie ich, und wir alle können ein wenig aufatmen, bis diese Sache erledigt ist, da wir jetzt wissen, dass sie einen Bodyguard hat. Und bitte kein Geglotze und keine Mutmaßungen, in Ordnung, Leute? Und – Erica?«
Eine Brünette mit langen, wallenden Haaren, einem verführerischen Lächeln, mokkabraunen Augen und einer beeindruckenden Büste trat vor. »Ja, Diane?«
»Kein Flirten.«
Alle lachten.
Ericas Lächeln wurde noch breiter und bestätigte damit, ohne sich dafür zu entschuldigen, dass Flirten genau das war, was sie im Sinn hatte.
»Jeder«, fuhr die Produzentin fort, »kümmert sich nur um seinen eigenen Kram. Wir müssen die Termine einhalten. Und jetzt alle wieder an die Arbeit.«
Sie wandte sich wieder Nolan zu. »Ich freue mich, dass Sie auf unsere Jillie aufpassen. Das ist ein hässliches Geschäft … aber tun Sie mir einen Gefallen und verhalten Sie sich so unauffällig wie möglich, okay? Ich möchte keine Unruhe auf meinem Set.«
Und weg war sie, konsultierte ihr Clipboard, rückte sich die Kopfhörer zurecht und rannte über die Kabel in Richtung Tonstudio.
Alle verteilten sich wieder … bis auf Wellington und Erica, die beide eine große Schau abzogen und Jillian bedauerten.
»Sag mir einfach Bescheid, wenn ich irgendetwas für dich tun kann, Jillian«, sagte Wellington, der sich vor aufrichtiger Betroffenheit und besorgtem Stirnrunzeln gar nicht wieder einkriegen konnte.
Nolan verabscheute ihn auf Anhieb. Wellington war eine schlechte Imitation der News-Legende Walter Cronkite ohne dessen
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