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Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Wer einmal auf dem Friedhof liegt...

Titel: Wer einmal auf dem Friedhof liegt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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habe. Diesmal zähle ich zwanzig
Klingelzeichen. Kaum hat der Anrufer aufgelegt, wählt er dieselbe Nummer zum
dritten Mal. Eine gute halbe Stunde geht das so. Dann ist es vorbei. Nur noch
das monotone Geräusch des Regens ist zu hören, hin und wieder ein Knacken in
den alten Möbeln. Ich lege mich wieder hin, an Schlaf ist jedoch nicht zu
denken. Na ja, ich hab auch an anderes zu denken. Plötzlich ein erneutes,
wütendes Läuten. Diesmal kommt es vom Gartentor. Dann wieder Stille. Lastend,
bedrückend, beinahe greifbar.
    Ich kann mir schon vorstellen, was
kommen wird. Ich wickele das Köfferchen mit den Diamanten in meinen Mantel und
lege das Paket unters Sofa. Dann schleiche ich mich auf leisen Sohlen durchs
Zimmer, verstecke mich zwischen einem Büfett und einem Schrank. Gesegnet sei
das Durcheinander, in dem man sich so hervorragend unsichtbar machen kann!
    Ich warte. Alle meine Sinne stehen auf
Alarm.
    Ich muß nicht lange warten. Eine Tür
wird geöffnet und wieder geschlossen. Geflüster. Der Schein einer Taschenlampe
huscht über die Zimmerwände des Salons. Das Lämpchen auf dem Flügel wird
angeknipst. Ich sehe nichts. Das hat aber den Vorteil, daß auch ich nicht
gesehn werden kann.
    „Was für ein Kramladen!“ ruft einer
der geheimnisvollen Besucher.
    Die Stimme klingt nervös, bemüht,
einen südlichen Akzent zu verbergen.
    „Was hältst du von der Alten?“ fährt
die Stimme fort. „Sollte die noch woanders übernachten, in ihrem Alter?“
    „Sie ist ganz bestimmt hier“,
antwortet der andere. „Wahrscheinlich schläft sie und hört nichts, taub, wie
die ist... Oder sie hat Schlaftabletten genommen, wie alle alten Schachteln.
Und um sie wachzukriegen, um die Zeit...“
    Ich verkneife mir ein Lachen. Tja, um
die Gräfin wachzukriegen, ist es etwas zu spät.
    „Du kannst mir deinen Vortrag über
alte Leute ein andermal halten“, unterbricht der Kerl mit dem Akzent seinen
Kumpel.
    „Ja, ja, schon gut, Sarfotti“, mault
der andere.
    Sarfotti! Das Leben ist voller
Überraschungen. Der Oberschmuggler muß wohl vor kurzem ausgebrochen sein. Aus
taktischen Gründen hat die Poliezi nichts davon verlauten lassen. Jetzt will
Sarfotti seine Beute abholen. Offensichtlich hat Désiris ihm das Versteck
irgendwie mitteilen können. Na ja, Sarfotti wird enttäuscht sein!
    „Los, beeilen wir uns!“ sagt der Schatzsucher.
„Die Alte kann jeden Augenblick nach Hause kommen. Da, die Treppe führt nach
oben. Komm!“
    An ihren entsetzten Ausrufen merke
ich, daß sie in der oberen Etage angekommen sind. Sie haben die Leiche
entdeckt. Auf ihre Flüche folgt Stille, die kurz darauf von dem wohlbekannten
Summen unterbrochen wird. Sie haben den Mechanismus der Zimmerdecke in Gang
gesetzt. Sarfotti kennt sich aus. Er wird sich seine Langfinger nicht
quetschen.
    Die Decke schließt sich wieder, und
die beiden kommen runter in den Salon.
    „Verdammte Scheiße!“ flucht Sarfotti.
Erinnert mich an Zavatter. „Hast du das gesehn? ... Kapier ich nicht...“
    Ich höre, wie er einen Stuhl rückt.
Auf diesen Schrecken hin muß er sich erst mal setzen.
    „Ich kapier das sehr gut“, schnauzt
sein Komplize. „Dieses Schwein! Ihr hättet mir das Zeug geben sollen...“
    „Bei ihm war’s sicherer“, gibt der
Bandenchef zurück. „Er war ein unbescholtener Bürger...“
    „Bin ich auch!“
    „Hm... Da war noch was anderes. Er war
mir sympathisch.“
    „Sympathisch!“
    Verächtlich spuckt er das Fremdwort
aus.
    „Ja, sympathisch. Außerdem hab ich ihm
vertraut... mehr als dir!“
    „Hat ja gut geklappt!“ lacht der
andere bitter.
    „Ich frage mich“, fährt Sarfotti
nachdenklich fort und wirft im Aufstehen den Stuhl um. „Hör mal gut zu! Wenn du
mich aufs Kreuz legen willst...“
    „Was soll das?“ empört sich der
andere. „Wer hat dich denn die ganze Zeit versteckt?“
    „Weil du nicht anders konntest!“
    „Erzähl keinen Scheiß!“
    Sarfotti flucht vor sich hin. Der
Salon, Ort der gepflegten Unterhaltung!
    „Das mit dem Schlüssel gefällt mir gar
nicht“, sagt er dann. „Guck nicht so blöd! Ich bin nicht von gestern. Ich meine
den Schlüssel von dem Gartentor hier. Wie du dir den besorgt hast, ist mir
scheißegal. Aber daß du ihn überhaupt hast, bringt mich auf eine Idee. Wer
konnte dich daran hindern... Hör mal, kein Schwein wußte, daß ich die Diamanten
besaß. Schon gar nicht, daß ich sie Désiris gegeben hatte. Außer Angèle...“
    Noch eine Maus im Käse!
    „...Aber das ist auch

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