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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Zeit gewusst, wo du warst. Ich habe meine Augen überall, das weißt du doch.«
    Megan wollte nachhaken, aber etwas in Lorraines Tonfall sagte ihr, dass sie sich das besser verkneifen sollte.
    »Jetzt guck dich doch nur mal an«, sagte Lorraine. »Verheiratet, Kinder, großes Haus. Da stehen jede Menge weiße Cadillac Escalades auf dem Parkplatz. Gehört einer davon dir?«
    »Nein. Meiner ist der schwarze GMC Acadia.«
    Lorraine nickte, als läge in der Antwort tiefere Bedeutung. »Ich freu mich, dass du hier was gefunden hast, aber wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich immer dachte, du würdest lebenslänglich dabeibleiben, so wie ich.« Sie gluckste kurz und schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß«, sagte Megan. »Ich war von mir selbst auch ziemlich überrascht.«
    »Allerdings sind auch nicht alle, die wieder auf den Pfad der Tugend geraten sind, aus freiem Willen dort gelandet.« Lorraine sah zur Seite, als ob das nur eine beiläufige Bemerkung wäre. Aber beide Frauen wussten, dass das nicht stimmte. »Wir hatten doch viel Spaß zusammen, stimmt’s?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Ich hab das immer noch«, sagte Lorraine. »Das da …«, sie blickte kurz zu den Mamis, »… also, ich bewundere das. Ehrlich. Aber ich weiß nicht. Das wäre nichts für mich.« Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht bin ich zu selbstsüchtig. Manchmal komm ich mir vor, als ob ich ADHS hätte oder so was. Ich brauche immer irgendwas, das mich stimuliert.«
    »Kinder können einen schon stimulieren, das kannst du mir glauben.«
    »Ja?«, sagte sie, offensichtlich ohne es zu glauben. »Na ja, freut mich, das zu hören.«
    Megan wusste nicht, wie sie das Gespräch fortsetzen sollte. »Dann arbeitest du immer noch im La Crème ?«
    »Yep. Vor allem hinter der Bar.«
    »Und warum der plötzliche Anruf?«
    Lorraine fuchtelte mit der unangezündeten Zigarette herum. Die Mamis plapperten wieder geistlos, wenn auch deutlich weniger enthusiastisch. Immer wieder musterten sie Lorraine mit verstohlenen Blicken, als wäre sie ein Virus, der irgendwie die Barrieren ihrer Vorort-Lebensform durchbrochen hatte und sie vernichten wollte.
    »Ich hab ja, wie gesagt, immer gewusst, wo du bist. Aber ich hätte natürlich nie was verraten. Ist doch klar, oder?«
    »Natürlich.«
    »Und eigentlich wollte ich dir jetzt auch nicht zur Last fallen. Du hast es geschafft, da rauszukommen. Da will ich dich doch auf keinen Fall wieder hineinziehen.«
    »Aber?«
    Lorraine sah sie an. »Jemand hat dich gesehen. Also eigentlich Cassie gesehen, um genau zu sein.«
    Megan rutschte auf dem Stuhl nach vorn.
    »Du bist im La Crème gewesen, stimmt’s?«
    Megan sagte nichts.
    »Hey, ich hab vollstes Verständnis dafür. Glaub mir. Wenn ich den ganzen Tag mit diesen Sonnenscheinchen herumhängen müsste …«, Lorraine deutete mit dem Daumen auf das mütterliche Plappern, »… würde ich Tiere opfern, um gelegentlich mal für eine Nacht da rauszukommen.«
    Megan sah auf ihren Kaffee hinab, als läge darin die richtige Antwort. Sie war tatsächlich im La Crème gewesen – allerdings nur ein einziges Mal. Vor zwei Wochen, kurz vor dem Jahrestag ihrer Flucht, war sie zu einem langweiligen Fortbildungsseminar im Zuge einer Fachmesse nach Atlantic City gefahren. Da die Kinder langsam älter wurden, hatte sie sich bei einem Maklerbüro für Wohnimmobilien beworben. In den letzten Jahren war sie immer auf der Suche nach etwas Neuem gewesen – von persönlichen Fitnesstrainern über Yoga-Kurse und Töpfern bis zu einer Biografie-Schreibgruppe, bei der Megan natürlich reine Fiktion dichtete. All diesen Aktivitäten lag der verzweifelte Versuch zugrunde, jene schwer fassbare »Erfüllung« zu finden, nach der die Menschen, die sonst alles haben, sich so sehr sehnen. Ein Problem dabei war, dass sie immer nach oben blickten – obwohl viele auf der Suche nach ihrer aufgeklärten Spiritualität wohl besser nach unten hätten sehen sollen. Denn Megan ahnte, dass sich die Antwort viel eher dort, in den niederen und primitiveren Gefilden, versteckt hielt.
    Auf Nachfrage hätte Megan behauptet, dass sie den Besuch im La Crème nicht geplant hatte. Es sei eine spontane Idee gewesen, keine große Sache, aber am zweiten Abend im Tropicana in Atlantic City, gerade mal zwei Blocks vom La Crème entfernt, hatte sie sich in ihre engsten Klamotten gezwängt und war in den Club gegangen.
    »Hast du mich gesehen?«, fragte Megan.
    »Nein. Und du bist schließlich auch nicht auf mich

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