Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
holte sich einen Caffè Latte und setzte sich hinten an einen Tisch. Zu ihrer Linken plapperte eine Gruppe junger Mütter – unausgeschlafen, fleckige Kleidung, wahnsinnig glücklich, alle mit einem Baby im Schlepptau. Sie unterhielten sich über die besten neuen Kinderwagen, diskutierten, welches Kinderreisebett sich am einfachsten zusammenfalten ließ und wie lange man dem Baby die Brust geben sollte. Sie sprachen über Holz-Klettergerüste auf Spielplätzen und Reifenmulch, in welchem Alter man mit dem Schnuller und den sichereren Kindersitzen aufhören sollte, über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Schlingentechniken und Positionen vor und neben dem Körper mit einem Babytragetuch. Eine prahlte, ihr Sohn Toddy sei »so unglaublich sensibel für die Bedürfnisse anderer Kinder, obwohl er doch erst achtzehn Monate alt ist«.
    Megan lächelte und wünschte sich, wieder eine von ihnen sein zu können. Sie hatte die Zeit als junge Mutter geliebt, aber wie bei so vielen anderen Lebensphasen fragte man sich rückblickend, wann der Hirnschaden wieder behoben worden war. Sie wusste, was bei diesen Müttern als Nächstes anstand: die Auswahl der richtigen Vorschule – eine Entscheidung, die so bedeutsam erschien, als ginge es um Leben und Tod –, das Warten in der Autoschlange beim Abholen der Kinder von der Schule, wo auch die Kontakte für die Verabredungen ihrer Kinder geknüpft wurden. Kinderturnen, Karate-Kurse, Lacrosse-Training, zweisprachiger Schulunterricht und die ewigen Fahrgemeinschaften. Das Glück verwandelte sich in Hetze, und die Hetze wurde zur Routine. Der einst verständnisvolle Ehemann wurde langsam mürrisch, weil man immer noch nicht wieder so viel Sex wollte wie vor dem Baby. Ihr als Paar, ihr, die ihr euch so oft wie nur möglich weggeschlichen habt, um es an jedem nur möglichen Ort zu treiben, seht euch kaum noch an, wenn ihr nackt voreinander steht. Du denkst zwar, das macht nichts aus – es war natürlich und unvermeidbar –, aber ihr entfernt euch immer weiter voneinander. Auf eine gewisse Art liebt ihr euch mehr denn je, aber die Distanz wird größer, und entweder kämpft ihr nicht dagegen an oder ihr merkt es gar nicht richtig. Ihr werdet zu Kinderbetreuern, eure Welt schrumpft auf die Grenzen der Lebenswelten eures Nachwuchses, und alles ist so unglaublich höflich, eng verbunden und herzlich – und dabei betäubt und erstickt es alles andere und treibt einen allmählich in den Wahnsinn.
    »Na, sieh mal einer an.«
    Als sie die wohlbekannte Stimme hörte, fing Megan unwillkürlich an zu lächeln. Das etwas rauchige Knarzen von Whiskey, Zigaretten und langen Nächten war noch deutlich zu hören und verlieh jeder Äußerung einen ironischen oder leicht zweideutigen Ton.
    »Hi, Lorraine.«
    Lorraine sah sie mit ihrem schiefen Lächeln an. Ihre Haare waren schlecht blondiert und zu hoch toupiert. Lorraine war groß, korpulent und üppig gebaut und wollte, dass man diese Kurven auch sah. Ihre Kleidung schien immer zwei Nummern zu klein zu sein, was ihr allerdings gut stand. Auch nach all den Jahren war Lorraine eine eindrucksvolle Erscheinung. Selbst die Mamis unterbrachen ihr Gespräch, um sie mit angemessenem Abscheu anzustarren. Lorraine warf ihnen einen vielsagenden Blick zu, der ihnen verriet, dass sie ihre Gedanken kannte und wohin sie sie sich stecken konnten. Die Mamis wandten sich ab.
    »Du siehst gut aus, Mädchen«, sagte Lorraine.
    Sie nahm Platz, was eine komplexe Choreographie erforderte. Es war tatsächlich siebzehn Jahre her, dass Megan sie zum letzten Mal gesehen hatte. Lorraine war damals Hostess/Managerin/Cocktail-Kellnerin/Barkeeperin gewesen. Sie hatte dieses Leben in vollen Zügen und ohne irgendwelche Rechtfertigungen gelebt.
    »Ich hab dich vermisst«, sagte Megan.
    »Ja, das dachte ich mir schon – wegen der vielen Postkarten und so.«
    »Es tut mir leid.«
    Lorraine wischte die Entschuldigung mit einer kurzen Geste beiseite, als ärgerte sie sich über die Sentimentalität. Sie wühlte in ihrer Handtasche herum und zog eine Zigarette heraus. Die Mamis, die zwei Tische entfernt saßen, schnappten nach Luft, als hätte sie eine Pistole gezogen. »Mann, ich hätte nicht übel Lust, die anzustecken, um zu sehen, wie sie fliehen.«
    Megan beugte sich vor. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich das frage, aber wie hast du mich gefunden?«
    Das schräge Lächeln breitete sich wieder in Lorraines Gesicht aus. »Ach, komm schon, Schatz. Ich hab die ganze

Weitere Kostenlose Bücher