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Wer einmal lügt

Wer einmal lügt

Titel: Wer einmal lügt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Fußball fahren?«, fragte Dave.
    »Ich mach das schon.«
    »Bist du sicher?«
    Megan nickte. Nicht einmal Dave kannte die Wahrheit über die Frau, mit der er seit sechzehn Jahren das Bett teilte. Dave wusste nicht einmal, dass Megans richtiger Name eigenartigerweise Maygin lautete. Man sprach ihn genauso aus, aber Computer und Ausweise kannten nur Schreibweisen. Sie hätte ihre Mutter gefragt, wieso sie den Namen so seltsam geschrieben hatte, aber ihre Mutter war gestorben, bevor Megan sprechen konnte. Ihren Vater hatte sie nie kennengelernt, sie wusste nicht einmal, wer er war. Sie war jung Waise geworden, hatte eine harte Kindheit durchlebt und war dann als Stripperin zuerst in Las Vegas und dann in Atlantic City gelandet – dann war sie noch einen Schritt weitergegangen und hatte dieses Leben geliebt. Ja, sie hatte es wirklich geliebt. Es war aufregend, unterhaltsam und faszinierend gewesen, weil immer etwas passierte. Stets hatten Gefahr, Leidenschaft und unerschöpfliche Möglichkeiten in der Luft gelegen.
    »Mom?«
    Es war Jordan. »Ja, Schatz?«
    »Mrs Freedman sagt, dass du die Genehmigung für den Klassenausflug nicht unterschrieben hast.«
    »Ich schicke ihr eine E-Mail.«
    »Sie sagt, sie hätte am Freitag da sein müssen.«
    »Mach dir darüber keine Sorgen, Schatz, okay?«
    Jordan brauchte noch einen Moment, beruhigte sich dann jedoch wieder.
    Megan wusste, dass sie wirklich dankbar sein sollte. In ihrem alten Leben starben die Frauen jung. In jener Welt waren jede Gefühlsregung, jede Sekunde fast schon zu intensiv – das Leben hoch zehn –, und das stand einer langen Lebenserwartung definitiv im Wege. Man brannte aus. So ein Leben hatte etwas Berauschendes, aber es war auch gefährlich. Und als es plötzlich außer Kontrolle geriet und Megans Leben bedroht war, hatte sie nicht nur einen Ausweg gefunden, es war ihr sogar gelungen, einen kompletten Neuanfang hinzulegen – sie war praktisch wiedergeboren worden, und das an der Seite eines liebenden Ehemanns mit wunderbaren Kindern, einem Haus mit vier Schlafzimmern und einem Swimmingpool im Garten.
    Fast zufällig war Megan Pierce irgendwie aus den Tiefen von etwas, das viele Leute als einen Sündenpfuhl bezeichneten, in den ultimativen amerikanischen Traum hineingestolpert. Um sich selbst zu retten, hatte sie sich kopfüber in ihr neues Leben gestürzt und sich beinahe schon selbst überzeugt, dass es sich dabei um die beste aller möglichen Welten handelte. Und warum auch nicht? Ihr ganzes Leben lang war Megan, genau wie wir alle, in Filmen und im Fernsehen unablässig mit Bildern bombardiert worden, die behaupteten, ihr altes Leben wäre falsch, unmoralisch und würde nicht lange währen – wohingegen das typische Familienleben mit Haus und Palisadenzaun gut und erstrebenswert wäre und fast schon heilige Züge hätte.
    Die Wahrheit sah anders aus: Megan vermisste ihr altes Leben. Das sollte sie eigentlich nicht. Sie hätte dankbar und begeistert sein müssen, dass sie als Einzige von all ihren damaligen Bekannten, die denselben zerstörerischen Weg wie sie eingeschlagen hatten, bekommen hatte, wovon alle kleinen Mädchen träumten. Die Wahrheit jedoch – eine Wahrheit, die sie sich selbst erst nach vielen Jahren eingestanden hatte – war, dass sie sich immer noch nach den dunklen Clubs sehnte, nach den wollüstigen, hungrigen Blicken von Fremden, der hämmernden, pulsierenden Musik, der aufreizenden Beleuchtung, den Adrenalinschüben.
    Und was sollte sie jetzt machen?
    Dave zappte die Kanäle durch. »Dann stört es dich nicht, wenn du sie fährst? Weil die Jets nämlich gleich spielen.«
    Kaylie wühlte in ihrer Sporttasche herum: »Mom, wo ist mein Trikot? Hast du es gewaschen, wie ich dich gebeten hatte?«
    Jordan öffnete den Kühlschrank: »Machst du mir im Sandwichmaker ein Käse-Sandwich? Aber nicht mit Vollkorntoast.«
    Sie liebte sie. Wirklich. Aber an manchen Tagen, so wie heute, wurde ihr klar, dass sie sich jetzt, nachdem sie in der Jugend auf dünnem Eis herumgeschlittert war, auf das typisch häusliche Gleis unendlicher Eintönigkeit begeben hatte, wo sie Tag für Tag die gleichen Nummern mit den gleichen Partnern abziehen musste wie am Vortag – außer dass diese Partner jeweils einen Tag älter waren. Megan fragte sich, warum das so sein musste, warum man gezwungen war, sich für ein Leben zu entscheiden. Warum bestanden wir darauf, dass es nur ein »ich« geben durfte, das unsere Identität bestimmte? Und warum mussten wir

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