Wer einmal lügt
zugekommen.«
Lorraine klang verletzt. Megan hatte ihre alte Freundin hinter der Theke gesehen und Abstand gehalten. Der Club war groß und dunkel. Die meisten Menschen wollten darin nicht gesehen werden. Also waren die Clubs so eingerichtet, dass man darin abtauchen konnte.
»Ich wollte nicht …« Megan brach ab. »Wer dann?«
»Ich weiß es nicht. Aber ist das wahr?«
»Nur ein einziges Mal«, sagte Megan.
Lorraine schwieg.
»Ich versteh das nicht. Wo liegt das Problem?«
»Warum bist du zurückgekommen?«
»Ist das wichtig?«
»Für mich nicht«, sagte Lorraine. »Aber dieser Bulle hat es erfahren. Der, der dich schon seit Jahren sucht. Er ist immer noch am Ball.«
»Und du denkst, dass er mich jetzt findet?«
»Gut möglich«, sagte Lorraine. »Ja, ich glaube, er hat eine ziemlich gute Chance, dich zu finden.«
»Also ist dieser Besuch eine Warnung?«
»So etwas in der Art.«
»Was denn noch?«
»Ich weiß nicht, was damals in der Nacht passiert ist«, sagte Lorraine. »Ich will’s auch gar nicht wissen. Ich bin glücklich. Mir gefällt mein Leben. Ich tu, was mir gefällt und mit wem es mir gefällt. Ich misch mich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute ein, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ja.«
»Und vielleicht liege ich auch falsch. Also, du kennst den Club ja, es ist ziemlich dunkel darin. Und es ist auch schon verdammt lange her – siebzehn Jahre, oder? Ich kann mich also auch geirrt haben, schließlich war es nur eine Sekunde, aber ich glaube, das war an dem Abend, an dem du auch da warst. Aber wo du plötzlich wieder da warst und jetzt noch jemand anders vermisst wird …«
»Wovon sprichst du, Lorraine? Was hast du gesehen?«
Lorraine blickte auf und schluckte. »Stewart«, sagte sie und fummelte an der unangesteckten Zigarette herum. »Ich glaube, ich habe Stewart Green gesehen.«
DREI
M it einem tiefen Seufzer ging Detective Broome auf das unglückselige Haus zu und klingelte. Sarah öffnete die Tür, sah ihn kaum an und sagte: »Komm rein.« Broome trat sich verlegen die Füße ab. Er zog den alten Trenchcoat aus und legte ihn über den Arm. Im Haus hatte sich in all den Jahren nichts verändert. Die altmodischen, eingelassenen Lampen, das weiße Ledersofa, der alte Fernsehsessel in der Ecke – es war alles noch wie damals. Nicht einmal die Fotos auf dem Kaminsims hatte Sarah ausgetauscht. Lange Zeit – mindestens fünf Jahre – hatten noch die Hausschuhe ihres Manns neben dem alten Fernsehsessel gestanden. Die Hausschuhe waren jetzt weg, aber der Sessel stand immer noch da. Broome fragte sich, ob ihn je irgendjemand benutzte.
Es war, als weigerte sich sogar das Haus selbst voranzuschreiten in der Zeit, als würden Wände, Böden und Decken nach wie vor trauern und warten. Aber vielleicht war das auch nur eine Projektion. Menschen brauchten Antworten. Sie brauchten einen Abschluss. Die Hoffnung konnte, wie Broome wusste, etwas Wunderbares sein. Andererseits konnte sie auch eine ewige Last sein, die die Menschen zu zerdrücken drohte. Sie konnte das Grausamste sein, was einem Menschen in seinem Leben begegnete.
»Du hast das Jubiläum verpasst«, sagte Sarah.
Broome nickte. Er war noch nicht bereit, ihr zu sagen, woran das lag. »Wie geht’s den Kindern?«
»Gut.«
Sarahs Kinder waren im Prinzip erwachsen. Susie besuchte das vorletzte Jahr des College, und Brandon stand kurz vor dem Highschool-Abschluss. Sie waren fast noch Babys gewesen, als ihr Vater verschwand – plötzlich aus diesem wohlgeordneten Leben gerissen wurde, woraufhin ihn keiner seiner Lieben je wiedergesehen hatte. Broome war es nicht gelungen, den Fall zu lösen. Es war ihm jedoch auch nicht gelungen, ihn loszulassen. Er wusste, dass man sich nicht persönlich in Fälle hineinziehen lassen durfte. Trotzdem hatte er es nicht vermeiden können. Er hatte die Tanzvorführungen der kleinen Susie besucht. Er hatte Brandon gezeigt, wie man einen Baseball warf. Und vor zwölf Jahren hatte er, wie er zu seiner Schande zugeben musste, sogar einmal mit Sarah zusammen zu viel getrunken und, tja, war dann über Nacht geblieben.
»Wie ist der neue Job?«, fragte Broome.
»Gut.«
»Kommt deine Schwester bald zu Besuch?«
Sarah seufzte. »Yep.«
Sarah war immer noch eine attraktive Frau. Sie hatte Krähenfüße um die Augen, und auch die Falten um den Mund herum waren im Lauf der Jahre tiefer geworden. Doch manchen Frauen steht das Älterwerden, und Sarah war eine von ihnen.
Außerdem hatte sie eine
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