Wer einmal lügt
dunkelblauen Businessanzug mit einer leuchtend orangefarbenen Krawatte. Er legte Jordan gerade einen Stapel Pfannkuchen auf den Teller. Jordan rieb sich die Hände und goss eine Menge Sirup darüber, die ausgereicht hätte, um einen Toyota zu lackieren.
»Brr, immer mit der Ruhe«, sagte sie, allerdings viel zu spät.
Megan blickte auf und lächelte Dave zu. Er erwiderte das Lächeln kurz und wandte sich dann ab. Plötzlich war das gute Gefühl aus der letzten Nacht verschwunden. Es war seltsam, wie schnell das Leben von den dramatischsten und verstörendsten Einschnitten in die Normalität zurückschnappen konnte. In vieler Beziehung änderte sich nie etwas. Sie war so kurz davor gewesen, Dave alles über ihre Lügen, die Täuschung, ihre Vergangenheit als Cassie – einfach alles – zu erzählen. Und zwar deswegen, weil sie gestern Nacht zutiefst davon überzeugt gewesen war, dass sich dadurch nichts ändern würde. Sie liebte ihn noch immer. Und er liebte sie noch immer.
Wie naiv ihr das doch jetzt, bei Tageslicht betrachtet, vorkam.
Als sie jetzt mit Dave, Kaylie und Jordan in der neu gestalteten Küche stand, fand sie es unglaublich, wie kurz sie davor gewesen war, das alles zu zerstören. Dave wäre nie in der Lage, die Wahrheit zu akzeptieren. Wie auch? Und warum sollte sie sie ihm überhaupt erzählen? Was brachte das? Sie würde ihm nur wehtun. Die Krise war überwunden. Natürlich würde er irgendwann eine Erklärung dafür verlangen, wo sie gewesen war, und dann musste sie ihm eine vage Antwort geben. Aber so eine Offenbarung und der daraus resultierende Befreiungsschlag, der ihr gestern Nacht noch so plausibel erschien, kam ihr jetzt wie selbstmörderischer Irrsinn vor.
Dave räusperte sich und sah theatralisch auf die Uhr. »Ich mach mich dann mal auf den Weg.«
»Bist du zum Abendessen zu Hause?«, fragte Megan.
»Das weiß ich noch nicht genau.« Dave wich ihrem Blick aus. Das gefiel ihr nicht. »Wir müssen für einen Fall noch viel vorbereiten.«
»Okay.«
Dave nahm seinen Arbeitsrucksack, den teuren mit dem Laptop-Fach und der Reißverschlusstasche für das Handy, den sie ihm letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Megan begleitete ihn zur Tür und ließ die Kinder in der Küche sitzen. Als Dave die Haustür öffnete und gehen wollte, ohne ihr einen Kuss zu geben, legte sie ihm die Hand auf den Unterarm.
»Entschuldigung«, sagte sie.
Er sah sie abwartend an. Die Sonne strahlte auf ihre kleine vorstädtische Enklave. Vor dem Nachbarhaus huschten die Kinder der Reales in den neuen SUV ihrer Mom. An den meisten Einfahrten standen Zeitungsbriefkästen, entweder aus blauem Plastik für die New York Times oder aus grünem für die Lokalzeitung. Vor dem Haus der Crowleys parkte ein weißer Mazda MX -5, wahrscheinlich von einem Freund ihres Sohns Bradley, der ihn abholen wollte, und etwas weiter die Straße hinab führte Sondra Rinsky in Power-Walking-Manier ihre beiden Hunde spazieren. Sondra und Mike Rinsky waren die ersten gewesen, die vor einigen Jahren in diese neu angelegte Siedlung gezogen waren. Sie hatten fünf Kinder, von denen das jüngste allerdings seit einem Jahr aufs College ging.
Dave wartete immer noch.
»Das war keine große Sache«, sagte Megan, die sich die Lüge parat gelegt hatte. »Ich hab nur einer Freundin geholfen, die private Probleme hatte. Sie brauchte einfach jemanden in ihrer Nähe, weiter nichts.«
»Welche Freundin?« Seine Stimme klang angespannt.
»Ist es in Ordnung, wenn ich es nicht sage? Sie hat mich gebeten, es niemandem zu erzählen.«
»Selbst mir nicht?«
Megan lächelte und zuckte die Achseln.
»Ist das eine Freundin hier aus der Gegend?«, fragte Dave.
Das war, dachte sie, eine seltsame Frage. »Nicht weit weg.«
»Hier in der Stadt?«
»Ja.«
»Was wolltest du dann in Atlantic City?«
Ken und Barbie beobachteten das Haus der Pierces.
»Ich denke immer noch über die Playlist nach«, sagte Barbie. »Also, ich finde die Rap-Version von ›O Jerusalem‹ schon toll, aber als Zugabe?«
»Das ist voll krass«, sagte Ken.
Sie lächelte: »Ich steh darauf, wenn du diesen Gangsta-Slang sprichst.«
»Gebongt.«
»Trotzdem. Als Zugabe? Ich finde, es gehört mitten ins Set, du nicht?«
»Das Camp findet erst in vier Monaten statt, da willst du das jetzt schon festlegen?«
»Ich find es gut, wenn alles seine Ordnung hat. Wenn man weiß, wo was hingehört und alles an seinem Platz ist.«
Ken grinste. »Muss an deinem überentwickelten
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