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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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linke Hand. Dann zog er sein Messer und schnitt sich mit einem gewaltigen Hieb die linke Hand direkt über dem Gelenk ab. Danny wollte schreien, aber bevor sich seine Kehlkopfmuskulatur vom ersten Schock erholen konnte, hob Angantyr die abgeschnittene linke Hand mit der rechten auf und legte sie auf Dannys Knie.
    »Würden Sie die bitte mal halten?« bat er Danny gutgelaunt. Dann steckte er schnell den Kieselstein in den Mund, nahm die abgeschnittene Hand wieder an sich und stülpte sie wie einen Handschuh über den linken Armstumpf. Schließlich nahm er den Kieselstein mit der linken Hand wieder aus dem Mund, wischte ihn am Hosenbein ab und warf ihn in den Beutel zurück. »Na, ist das keine Technologie?« fragte er erfreut. »Oder wollen Sie’s mal selbst ausprobieren?«
    Danny versicherte ihm, kein Interesse daran zu haben.
    »Das ist ein bißchen wie Apfelbäume pfropfen«, sagte Angantyr, »nur geht’s schneller. Was war das andere, was Sie gesagt haben? Ach ja, Dinge vollautomatisch machen.«
    Er warf die beiden kleinen Knochen hoch in die Luft und pustete sie im Hinunterfallen an. Der eine leuchtete hellorange auf, und der andere verwandelte sich mit einem lauten Puffen in eine riesige tosende Flamme.
    Angantyr blies den zweiten Knochen noch einmal an, und die Flamme wurde kleiner, als würde man einen Gasherd herunterdrehen. Dann pfiff er, und die Flamme erlosch.
    »Das ist nur die tragbare Ausführung«, sagte er und steckte die Knochen in den Beutel zurück. »Es gibt sie auch größer, dann kann man damit ein ganzes Haus erleuchten oder große Mahlzeiten kochen. Und diese Dinger sind feiner einzustellen als ein offenes Feuer, eignen sich also bestens zum Dünsten oder leichten Anbraten. Ideal zum Kochen, könnte man sagen.«
    In diesem Moment kam Ohtar zurück und ließ einen großen Sack zu Boden fallen. Angantyr drehte sich um und sah ihn in banger Erwartung an.
    »Ich konnte leider keine Kaninchen auftreiben«, entschuldigte sich Ohtar. Dann setzte er sich hin und öffnete den Sack. »Wäre Möwenfleisch auch in Ordnung?«
     
    Den Hinweisschildern in Melvich zufolge waren die Bauarbeiten auf der A 9 bei Berriedale gerade beendet worden, und die Hauptstraße entlang der Küste schien somit wieder intakt zu sein. Hildy war erleichtert. Sie hatte sich nicht gerade darauf gefreut, noch einmal die Straße nach Lairg fahren zu müssen, zumal sie sicher war, daß der Feind, wenn er von ihnen etwas wußte, diese und vermutlich die Straße nach Helmsdale beobachten würde. Die Hauptstraße kam ihr wesentlich sicherer und außerdem schneller vor. Zwar hatte sie immer noch Zweifel, ob es richtig gewesen war, den Rest der Helden sich selbst zu überlassen, so gut sich diese auch in der Wildnis von Strathnaver auskennen mochten, aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß es noch viel gefährlicher gewesen wäre, sie nach London mitzunehmen. Ganz zu schweigen von den Kosten für Verpflegung, Unterbringung und U-Bahn-Fahrkarten. Während ihr diese Fragen durch den Kopf gingen, wurde ihr voller Stolz bewußt, daß sie nun zur eigentlichen Anführerin der Gruppe geworden war. Und während sie weiterfuhr, ertappte sie sich dabei, wie sie die ersten Zeilen ihrer eigenen Saga entwarf. »Es war einmal eine Frau namens Hildy Frederiksen …«
    »Passen Sie auf!« rief der König plötzlich. »Sie fahren mitten auf der Straße!«
    »Verzeihung«, murmelte Hildy verlegen. Sie kam sich vor, als nähme sie bei ihrem Vater Fahrstunden. Selbst heute noch – sieben Jahre, nachdem sie die Prüfung bestanden hatte – konnte er es nicht lassen, ihr Ratschläge zu erteilen. ›Warum fährst du nicht im dritten Gang?‹ ›Um Gottes willen, fahr doch langsamer!‹ Und das, obwohl sie auf Landstraßen nie schneller als fünfzig Kilometer pro Stunde fuhr. Sie stellte Hildar Saga Frederiksdottur rasch in ihr geistiges Bücherregal zurück und konzentrierte sich lieber auf die richtige Straßenseite.
    Hildy hatte das Gefühl, daß sich der König bemerkenswert schnell im zwanzigsten Jahrhundert zurechtfand. So stellte er zu den verschiedensten Dingen, die sie im Vorbeifahren sahen, scharfsinnige Fragen oder kommentierte sie mit intelligenten Bemerkungen. Selbst als sie durch Inverness fuhren, schien ihn der erste Anblick einer größeren Stadt keineswegs umzuwerfen. Als sie ihn danach fragte, antwortete er nur, er habe in seinem Leben weit merkwürdigere Dinge gesehen, besonders in Finnmark. Insgeheim hoffe er aber, noch sehr viel

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