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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wolkenverhangene Ding zur Rechten der Ben Stumanadh sei und die Straße genau auf der anderen Seite des Bergs verlaufe. Dabei hatte Danny als ehemaliger Pfadfinder (es kostete ihn immer wieder einige Mühe sicherzustellen, daß niemand beim Fernsehen etwas davon erfuhr) ganz genau gewußt, daß diese Behauptung lächerlich war. Aber der Kameramann war offensichtlich wild entschlossen gewesen, die gesamte Crew in das trostlose und unwirtliche Landesinnere zu führen, wo Erfrieren zu den häufigsten Todesursachen zählt. Danny hatte sich mit ihm gestritten, ihn zur Räson gezwungen und ihn schließlich nur noch angebrüllt; aber der Narr hatte, wie der Rest der Crew, einfach nicht auf ihn hören wollen. Schließlich wusch Danny seine Hände in Unschuld und machte sich allein auf den Weg, um die nur wenige Meilen entfernte Straße zu suchen, die, wie er wußte, gleich links lag.
    Das diesige Wetter war natürlich nicht sehr hilfreich, und je weiter er ging, desto mehr gewann Danny die Überzeugung, daß entweder die Karte irrte oder jemand die Straße verlegt hatte. Da Erschöpfung, Hunger und der Verlust beider Schuhe, die in einem Sumpfloch steckengeblieben waren, allmählich ihren Tribut forderten, neigte er immer mehr zur zweiten Erklärungsmöglichkeit, besonders nach seinem kurzen, aber aufschlußreichen Gespräch mit den beiden braunen Schafen – den einzigen Lebewesen, die er seit dem Zusammentreffen mit dem fremden Mann gesehen hatte, der sie alle in die falsche Richtung geschickt hatte. Kurz nachdem er zu dieser Überzeugung gelangt war, bekam er erste Halluzinationen und verbrachte die Nacht an einem Ort, der wie ein voll ausgerüsteter Schneideraum aussah, in dem sich sogar eine Überspielvorrichtung befand, um Filme auf Videokassetten zu kopieren. In den ersten kalten (sehr kalten) Strahlen der Morgensonne entpuppte sich der Schneideraum als eine verfallene Steinhütte, und Danny wurde von heftigem Fieber geschüttelt. Aber wenigstens war ihm auf diese Weise warm, und das war immerhin etwas.
    Recht zuversichtlich versuchte er, Arme und Beine auszustrecken, aber sie versagten ihm den Dienst, so wie sein Auto nie starten wollte, wenn er zu einem besonders wichtigen Termin mußte. Er fühlte sich überraschend ruhig und sann darüber nach, daß es sich dabei wahrscheinlich um eine der kostenlosen Nebenleistungen der Natur handelte, bevor man endgültig verrückt wurde. Hätte er sich noch nicht im halluzinatorischen Endstadium befunden, das stets kurz vor dem Tod durch Erfrieren eintritt, dann hätte er sich jetzt nicht eingebildet, daß diese komischen Männer mit den grauen Anzügen gerade den Berg überquerten und direkt auf ihn zukamen.
    »Wie in alten Zeiten«, sagte einer von ihnen. »Man irrt schutzlos durchs Hochmoor und hat nichts zu beißen außer Kaninchen und stinkendem Lachs. Wenn ich noch mehr Lachs essen muß, seh ich bald selbst wie ’n Fisch aus.«
    Was er bereits tat, zumal er über seinem Anzug einen silberglänzenden Schuppenpanzer trug; aber da dieser Mann nicht wirklich da war, wie Danny meinte, konnte er das natürlich nicht wissen. Danny stöhnte leise und sackte hinter der Steinmauer noch ein wenig mehr zusammen. Wenn er schon Wahnvorstellungen haben mußte, hätte er gern nicht ganz so extreme Trugbilder gesehen.
    »Wenn du nicht so verdammt pingelig wärst«, schimpfte ein anderer Mann, »hätten wir jetzt eins dieser beiden verirrten Schafe.«
    »Er hat gesagt, wir sollen uns keine unnötigen Probleme aufhalsen«, verteidigte sich der Lachsmann. »Das Stehlen von Schafen wäre solch ein unnötiges Problem. Das war schon immer so.«
    »In dem Wald, wo wir vorbeigekommen sind, könnte es Rehe geben«, schlug ein dritter Mann vor.
    »Also noch einmal: Es gibt dort keine Rehe!« brüllte der Lachsmann, der ein ziemlich mieser Typ zu sein schien. Danny beschloß, daß er ihn nicht mochte, und versuchte, ihn durch ein hübsches Mädchen zu ersetzen, was aber offensichtlich nicht funktionierte. »Und falls ihr glaubt, ich renne durch den Wald, weil ihr euch einbildet, daß es dort Wild gibt, dann irrt ihr euch gewaltig.« Die anderen ersparten sich eine Antwort, was Danny guthieß.
    »Das dahinten würde doch für uns reichen!« rief einer der Männer und deutete auf die Hütte. Danny begriff sofort, daß sie bei ihm ihr Lager aufschlagen wollten. Das war schade, da er seine letzten Stunden auf der Erde lieber in ruhiger Meditation verbringen wollte als mit einem Haufen gespenstischer

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