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Wer hat Angst vor Beowulf?

Wer hat Angst vor Beowulf?

Titel: Wer hat Angst vor Beowulf? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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»Aber in Wirklichkeit war das gar kein Wolf. Ich glaube, es war Thorgeir.«
    Der König schien dies für eine vernünftige Erklärung zu halten. »Wir müssen jetzt gehen. Diese Brosche war einige Minuten lang nicht an ihre Batterien angeschlossen, und ich will keinerlei Risiko eingehen.«
    »Gute Idee«, stimmte Arvarodd zu. Er kam sich ziemlich dämlich vor.
    Aber noch dämlicher kam sich Thorgeir vor. Kaum war er Arvarodd entkommen, hatte er sich in einen Wolf zurückverwandelt. Als er danach durch die Korridore streifte, um den Kampf instinktiv dort fortzusetzen, wo er begonnen hatte, verwandelte er sich wieder in einen Menschen zurück, und zwar just in dem Moment, da der König (und die Sutton-Hoo-Brosche) das Gebäude verließen. Er hakte die ganze Sache ab und begab sich auf die Suche nach seiner Kleidung.
    Er hatte kaum den zertrümmerten Glasbehälter und die noch immer ängstlich in einer Ecke kauernden Wachposten entdeckt, als er auch schon wußte, was geschehen war. Er setzte sich auf einen der völlig demolierten Fotokopierer und dachte angestrengt nach. Eigentlich sollte er sofort den Zaubererkönig aufsuchen und ihn warnen, damit dieser genügend Zeit zur Entwicklung einer Verteidigungsstrategie hätte. Aber irgend etwas schien ihm zu sagen, daß diese Idee nicht gut war. Was wäre, wenn der Zaubererkönig verlieren und gestürzt werden sollte? Thorgeir knabberte nervös an der Unterlippe und zwang sich, über die möglichen Konsequenzen nachzudenken. Einerseits hatte ihn die Zauberkraft seines Bosses zwölfhundert Jahre lang am Leben gehalten, und das in menschlicher Gestalt. Ohne sie würde er sich in einen zwölfhundert Jahre alten Wolf zurückverwandeln, und Wölfe leben, selbst in Gefangenschaft, normalerweise nicht länger als sechzehn Jahre. Falls aber die magischen Kräfte des Zaubererkönigs versiegen würden, wäre es sein Schicksal, in Sekundenbruchteilen erst in einen alten und dann in einen toten Wolf verwandelt zu werden; und wenn das sein höchstes Lebensziel gewesen wäre, hätte er damals die Halbinsel Kola erst gar nicht verlassen brauchen. Andererseits war der Zauberer von König Hrolf Erdenstern ein äußerst fähiger Mann und kannte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch auf sämtlichen Ebenen der anthropomorphen und lebensverlängernden Magie aus, und vielleicht ließ sich Kotkels Arbeitgeber ja zu einem kleinen Handel überreden. Wenn nun aber der Zaubererkönig gewinnen sollte, was nicht ganz unwahrscheinlich war, und herausfinden würde, daß sein getreuer Berater ihn verraten hatte, wäre es – verglichen mit der Strafe, die dieser über ihn verhängen würde – das reinste Vergnügen, ein toter Wolf zu sein. Eine verzwickte Lage, dachte Thorgeir. Er kramte ein Stückchen Markknochen aus der Tasche und kaute daran, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Um den Zaubererkönig zu Sieg oder Niederlage zu führen, mußte auf jeden Fall eine allesentscheidende Schlacht stattfinden. Wenn er sich nun darum kümmerte, diese Schlacht möglichst schnell und unter relativ gleichen Bedingungen durchzuführen, dann könnte er an den Sieger, wer immer das wäre, einen Anspruch stellen. Genaugenommen war dies die sicherste Lösung, dennoch hatte sie einen tödlichen Nachteil: Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sich König Hrolf derzeit aufhielt. Thorgeir seufzte. Dann spuckte er den Markknochen wieder aus und zog seine Socken an. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Ohne nachzudenken, hob er ab.
    »Hier Olafsen«, meldete er sich. Wer konnte das zu dieser nachtschlafenden Zeit sein?
    »Mister Olafsen?« fragte der designierte Gouverneur von China.
    Thorgeir stöhnte nur laut; er war einfach nicht in der Stimmung, sich mit dem jungen Mr. Fortescue zu unterhalten.
    »Ich dachte, ich sollte es sofort jemandem erzählen«, fuhr der junge Mr. Fortescue fort. »Ich hab gerade die Nachricht erhalten, daß der Wagen, den unsere Feinde benutzen« – er nannte Typ und Kennzeichen –, »ausfindig gemacht und von einer Polizeistreife im Holland Park gesehen wurde. Ich bin sogar schon dort und spreche mit Ihnen« – da war eine Andeutung von Stolz in der Stimme des jungen Mannes – »über mein Autotelefon. Was soll ich als nächstes tun?«
    Thorgeir murmelte ein schnelles Gebet zu Loki, den Gott der Schurken, und sagte: »Verfolgen Sie den Wagen, und lassen Sie sich von diesen Leuten auf keinen Fall abhängen. Halten Sie mich über meine persönliche Rufnummer ständig

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