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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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ihn zu.
    «Lass gut sein», warnt ihn Roy Sparkman und wirft Mick die Schlüssel zu, die diesem gegen die Brust prallen. «Hier. Schert euch nach Hause. Wir kümmern uns morgen früh um diesen Mist.»
    Mick klaubt die Schlüssel aus dem Gras. Ich habe keine Angst mehr. Die anderen beiden sind inzwischen zum Pickup zurückgeschlichen. Mick schaut zu Harry Rawlings auf.
    «Pass bloß auf, Freundchen. Du hast keinen blassen Schimmer. Keiner von euch hat das. Ihr seid genau das, was in diesem Land schiefläuft. Sperrt doch die Augen auf! Die Ratten sind hier, und es werden immer mehr, merkt euch das. Es werden immer mehr.»
    «Geht nach Hause!», donnert mein Vater da. Groß und furchteinflößend richtet er sich auf. Seine Augen blitzen vor Zorn. Ich kann nicht anders, als bei seinem Anblick einen Anflug von Stolz zu empfinden. Ich habe mich in ihm getäuscht.
    Der Pickup springt ratternd an, der Motor heult auf, und die Kerle reißen mit den Reifen ganze Rasenstücke heraus, ehe sie mit jaulendem Motor die Straße hinabfegen. Sie lassen eine äußerst merkwürdige Stille hinter sich zurück. Die Leute kehren in ihre Häuser zurück und schicken die Kinder zu Bett. Mein Vater hilft An Lu auf die Beine.
    «Es tut mir so leid, An», sagt er.
    An Lu schüttelt den Kopf und winkt ihn mit einem dünnen Lächeln fort. Auf die Schultern seiner Frau gestützt, erklimmt er steifbeinig die Treppe. Sie weint. An wirkt erschüttert und verletzt, aber gleichzeitig auch ruhig und würdevoll. Es zerreißt mich, ihn so kämpfen zu sehen. Meine Augen brennen, und ich muss den Blick abwenden. Dad folgt ihm bis zur Tür. Er lehnt sich an den Türrahmen und sagt ihnen etwas, das ich nicht hören kann, das aber tröstlich zu sein scheint. Ich habe das Gefühl, das Gleiche für Jeffrey tun zu müssen, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich mache den Mund auf, aber da ist nichts. Ich habe die richtigen Worte nicht in mir.
    Roy Sparkman steht mit Harry Rawlings auf dem Rasen. Er ruft Jeffrey zu: «Du hast gut geschlagen heute, mein Junge. Ich hab dich zwar nicht gesehen, aber alles darüber gehört. Es heißt, du hast mit dem letzten Ball alles rausgerissen, stimmt das? Wie viele hast du zusammengekriegt, mehr als vierzig?»
    Jeffrey nickt geistesabwesend.
    «Dreiundvierzig», sage ich. Ich weiß nicht, warum ich das Bedürfnis habe, das klarzustellen. Vielleicht will ich Jeffrey mit seiner eigenen Erfolgsgeschichte ablenken.
    «Dreiundvierzig!», ruft Roy aus und pfeift durch die Zähne, während er nach Jeffreys Blick sucht und ihn festhält. «Na, dann solltest du verdammt stolz auf dich sein. Lass den Kopf nicht hängen, ja? Hörst du? Du hast heute was ganz Großes geleistet. Das kann dir keiner wegnehmen. Hast du mich verstanden?»
    Jeffrey nickt und scharrt mit den Füßen. Er bleibt stumm, und sein Gesicht gibt nichts preis. Er erinnert mich an An. Er hat in seinem Inneren irgendeinen Schalter umgelegt.
    Die Hand meines Vaters legt sich mir auf die Schulter. Er sagt nichts, aber ich weiß, dass es Zeit ist zu gehen. Er geht an mir vorbei auf den Rasen.
    Ehe wir aufbrechen, lege ich Jeffrey die Hand auf die Schulter und drücke ihm mit dem Daumen aufs Schlüsselbein in dem Versuch, ihm auf diese Weise die aufmunternden Worte verstehen zu geben, die ich ihm eigentlich gerne sagen würde. Er nickt und presst die Lippen aufeinander. Dann geht er hinein.
    In der Straße sind die Türen wieder geschlossen. Ich steige schwerfällig die Stufen hinab und geselle mich zu meinem Vater, der sich mit Harry und Roy unterhält. Er wünscht ihnen eine gute Nacht und legt mir geistesabwesend den Arm um die Schultern. Es hat etwas Behagliches, Beschützendes und stört mich nicht im Geringsten. Wirklich nicht. So gehen wir den ganzen Weg bis nach Hause. Wie betäubt. Um ehrlich zu sein, ist mir zum Heulen zumute, und die Nähe zu meinem Vater scheint diesen Drang noch zu verstärken. Doch ich blinzele die Tränen fort und atme tief durch.
    Vor unserer Haustür hält mein Vater inne und drückt mich an sich.
    Er lässt als Erster los und schaut mir in die Augen. «Es tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest, Charlie. Alles in Ordnung mit dir?»
    «Ich weiß nicht. Nein, eigentlich nicht.» Achselzuckend wende ich den Blick ab.
    «Nun, mit mir auch nicht, falls dir das hilft. Ich fühle mich richtig mies», sagt er.
    Wir stehen eine Weile da.
    «Warum musste das gerade passieren? Warum tut jemand An so etwas an?»
    Mein Vater holt tief Luft

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