Wer hat Angst vor Jasper Jones?
und legt sich seine Antwort sorgfältig zurecht, als er von meiner Mutter unterbrochen wird, die die Tür aufmacht und uns ins Haus ruft.
Wir setzen uns an den Küchentisch. Es ist merkwürdig. Keiner von uns ist müde, und keiner weiß, was er sagen soll.
Nach einer Weile steht mein Vater auf und kramt in Schubladen und Schränken. Dann setzt er sich mit einem Stapel Spielkarten, einer Flasche Portwein und drei kleinen Gläsern wieder an den Tisch. Meine Mutter runzelt die Stirn über das dritte Glas, hält sich aber zurück.
Ich mische die Karten, während er den pflaumenfarbenen Portwein ausschenkt. Meine Mutter holt Stift und Papier. Ich reiche die Karten über den Tisch, und Dad teilt sie aus. Er hat meine Frage nicht beantwortet, deshalb stelle ich sie noch einmal.
Er seufzt. «Mick Thompson ist ein Feigling und ein Dummkopf. Er ist gefangen in seiner eigenen Gosse. Halunken verstecken sich gern im Dunkeln, Charlie. Für manche ist es leichter, anderen Leuten die Schuld in die Schuhe zu schieben, als selbst für ihre Fehler einzustehen. Aber er kriegt schon noch, was er verdient. Für jeden von seiner Sorte gibt es ein Dutzend Harry Rawlings, die bereit sind, sich ihm in den Weg zu stellen.»
Ich nicke mit gesenktem Kopf, obwohl ich immer noch kein Wort verstehe. Es scheint mir das, was ich gerade mit angesehen habe, längst nicht zu erklären. Aber ich will nicht weiter in ihn dringen.
Meine Mutter beugt sich vor und berührt meinen Arm. «Mach dir keine Sorgen um An, Charlie. Er wird schon wieder. Er ist stark wie ein Ochse und Jeffrey auch.» Sie trinkt einen Schluck von ihrem Portwein. «Herr im Himmel, das waren vielleicht ein paar
stürmische
Wochen. Ich verstehe wirklich nicht, was in diese Stadt gefahren ist.»
Ich schaue mir mein Blatt an und warte darauf, dass sie sich wieder darüber auslässt, was es an Corrigan alles auszusetzen gibt, doch das tut sie nicht. Sie sieht ihre Karten durch und schnalzt abfällig.
«Du hast mir wieder mal das schlechteste Blatt ausgeteilt, das man sich vorstellen kann.»
«Das macht nichts, meine Liebe. Du wirst es trotzdem so hinbiegen, dass du gewinnst», sagt er.
«Das glaube ich nicht, mein
Lieber
. Du bist nicht in meiner Lage. Diese Karten nützen mir ungefähr so viel wie eine Teekanne aus Schokolade. Ich kann nicht das Geringste damit anfangen. Du teilst keine Karten mehr aus. Damit ist Schluss.»
So sitzen wir da und spielen bis spät in die Nacht Canasta. Es ist heiß, und es wird reichlich gestichelt, trotzdem geht es bemerkenswert zivil zu. Der Küchenventilator über uns schwirrt und surrt. Ich nippe vorsichtig an meinem Port und habe das Gefühl, mit irgendwas davonzukommen.
Genau wie mein Vater vorausgesagt hat, zieht meine Mutter uns wieder mal die Hosen aus. Sie ist geschickt und gnadenlos beim Kartenspielen, vor allem bei Canasta. Mein Dad legt seine Karten immer zu früh ab, und ich scheine nie die zu bekommen, die ich brauche. Meine Mutter dagegen ist unschlagbar. Sie hortet die Karten, verflucht ihr Pech und lässt sich nichts anmerken, bis sie mit einem Grinsen im Gesicht ihr ganzes Blatt auf einmal ablegt.
Dad und ich stöhnen auf, als sie die letzte Karte auf den Tisch legt. Sie greift nach Zettel und Stift.
«Dann rechnet mal zusammen, Jungs», sagt sie hämisch.
«Wie macht sie das bloß immer wieder, Charlie?»
«Ich bin einfach brillant. Und ich habe gute Instinkte.»
«Ich glaube, sie mogelt», raunt Dad mir hinter vorgehaltener Hand zu und zwinkert.
«Wenn ihr Trantüten mir jemals wirklich gefährlich werden könntet, dann würde ich mir das vielleicht überlegen. Aber ich muss gar nicht schummeln. Es ist, als würde ich auf einen Fisch im Wasserfass schießen.»
«Weißt du», sage ich leise und hebe mein Portglas hoch: «Ich habe nie verstanden, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, auf einen Fisch im Wasserfass zu schießen. Ich meine, sie sind doch schon in einem
Fass
gefangen. Die Arbeit ist erledigt, und abhauen können sie nicht. Wenn man sie umbringen will, braucht man doch nur das Wasser abzulassen. Warum muss man da noch Waffen ins Spiel bringen?»
Mein Vater lacht.
«Siehst du, Ruth, genau deshalb wird es der Junge mal weit bringen. Das ist ein Argument, das man sich merken sollte, für den Fall, dass einem ein Mann begegnet, der auf ein offenes Fass mit Forellen zielt.»
«Lass das Wasser ab und spar dir die Kugeln», sage ich achselzuckend.
«Das ist doch nur eine Redewendung», sagt meine Mutter.
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