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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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er. Dad hält ihn auf Armeslänge von sich weg, der Hemdkragen schneidet dem Mann in die Kehle. Mit zusammengepressten Zähnen befiehlt ihm mein Vater aufzuhören. Ich bin fassungslos, als ich feststelle, dass er der Stärkere von beiden ist. Die Männer haben auf der Ladefläche ihres Pickups einen Hund angeleint. Er ist weiß und hat einen schwarzen Fleck um das Auge. Bellend und knurrend zerrt er an seinem Strick.
    Einer der anderen Männer will auf meinen Vater losgehen, und ich schreie auf, doch hinter mir ist Harry Rawlings von nebenan über den Asbestzaun gesprungen, der die beiden Gärten voneinander trennt, und schlingt die Arme um den Angreifer. Harry ist ein stämmiger Lastwagenfahrer mit kupferfarbenem Haar und außerdem vierfacher Regionalmeister im Baumstammweitwerfen. Als er den drahtigen Körper niedergerungen hat, steht dieser nicht mehr auf.
    «Bleib ja liegen, du Schweinehund!», befiehlt ihm Harry.
    Die beiden anderen Männer haben sich zum Pickup zurückgezogen, doch ein weiterer Nachbar von gegenüber, Roy Sparkman, der nichts als khakifarbene Arbeitsshorts trägt, hat den Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen und nähert sich jetzt der Szene. Als der Motor verstummt, tritt eine seltsame Stille ein. Der Hund hält inne und winselt. Und ich merke, dass fast überall in der Straße die Lichter angegangen sind. Paare stehen auf den Eingangsstufen und halten ihre neugierigen Kinder fest.
    Nach einer kurzen Pause reißt sich der jüngste der vier Männer los und stürmt die Straße hinab. Maggie Sparkman schreit ihm von der anderen Straßenseite aus schimpfend hinterher: «Bilde dir bloß nicht ein, wir wüssten nicht, wer du bist, James Trent! Du bist eine verfluchte
Schande
! Aber ich kenne deine Mutter! Ihr solltet euch alle was schämen!»
    Der untersetzte Kerl, den mein Vater festhält, reißt sich plötzlich los und gibt sich kampfbereit, weicht jedoch zurück, als Harry Rawlings vortritt und Roy Sparkman sich ihm anschließt. Mein Vater zieht sich das Hemd zurecht und geht zu An Lu, der auf der Treppe sitzt. Als Mrs. Lu merkt, dass sie sich ihm gefahrlos nähern kann, lässt sie Jeffrey los und beugt sich über An.
    Jeffrey ist so aufgebracht und außer sich, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Er schießt auf den drahtigen Mann am Boden zu und holt aus, um ihm ins Gesicht zu treten. Mrs. Lu schreit ihm mit ausgestrecktem Arm hinterher. Aber Harry Rawlings verliert keine Zeit; er fängt Jeffrey ab, ehe er richtig zutreten kann, und hebt ihn in einer mühelosen Umarmung hoch. Jeffrey kratzt und tritt um sich wie eine wütende Katze, doch Harry hat ihn fest im Griff. Er stellt Jeffrey auf der Veranda ab und hält ihn an den Schultern fest, bis er sich beruhigt hat.
    «Charlie, geh mit ihm rein, ja?», bittet mich mein Vater, der gerade An Lus Gesicht inspiziert. Zögernd gehe ich zu Jeffrey hinüber, obwohl ich weiß, dass ich ihn niemals dazu bringen werde, sich von der Stelle zu rühren. Ich stelle mich neben ihn, bereit, ihn festzuhalten, falls er wieder losstürmen sollte. Doch Jeffrey Lu, den diese Stadt noch vor Stunden als ihren Helden gefeiert hat, steht regungslos da. Er atmet tief und schnell und lässt die Männer nicht aus den Augen.
    Ein wenig wacklig auf den Beinen kommt der Älteste vom Pick-up zurück. Er tritt einen Klumpen Jasmin fort, der sich an seinen Stiefel geheftet hat. Ich vermute, dass er betrunken ist.
    «Gib mir die scheiß Schlüssel, Roy. Das hier geht dich nichts an.»
    «In meiner Straße geht es mich was an.»
    «Leck mich. Ihr solltet euch einen roten Stern anstecken, ihr alle miteinander», höhnt der Bursche.
    «Halt die Klappe», sagt Harry Rawlings. «Es ist nicht seine Schuld, dass du dich um deinen Job gebracht hast, du nichtsnutziger Scheißkerl. Das hat nichts mit ihm zu tun.»
    «Ach nee? Du verdammter Drecksack. Hör dir bloß mal zu. Himmel noch mal, ihr legt einfach die Hände in den Schoß. Klar hängt er mit drin. Er ist ein
Roter
. Eine dreckige rote Ratte ist er.» Er beugt sich vor und spuckt An Lu die Worte entgegen. «Sie haben ihm eine verdammte Arbeitserlaubnis gegeben. Das weiß ich. Wahrscheinlich hat
er
das junge Mädchen umgelegt. Macht, dass ihr nach Hanoi zurückkommt,
Rattenpack

    Harry tritt zwei Schritte vor und versetzt ihm mit dem Handrücken blitzschnell einen Kinnhaken. Der Hund zerrt und bellt wie wild. Ich erstarre. Der Mann, Mick, hält den Kopf abgewandt. Er spuckt Blut.
    «Willst du noch mehr?» Wieder geht Harry auf

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