Wer hat Angst vor Jasper Jones?
und schließe die Augen. Dann suche ich Trost in meinem Ballsaal in Manhattan.
Ich umklammere den Rand des Rednerpults, das auf der Bühne steht, und sehe die goldene Trophäe direkt vor mir. Der Applaus ist abrupt verstummt, und zurück bleibt ein etwas verlegenes und verwirrtes Schweigen. Jemand hustet. Ich senke die Augen und bemerke die Gravur auf dem vergoldeten Sockel meines Preises. Sie gehört nicht mir. Sie hat es nie getan. Zwei Männer mit blauen Anzügen und Sonnenbrille eilen von den Seitenflügeln auf mich zu und packen mich an den Armen. Als sie mich abführen, schaue ich in die Menge und sehe, wie Papa Hemingway kopfschüttelnd zu Harper Lee hinübersieht, als wolle er andeuten, dass er keine Ahnung habe, wer ich sei und was ich auf der Bühne verloren habe. Norman Mailer grinst höhnisch. Die Leute tuscheln. Kerouac und Kesey stehen unter einem Kerzenleuchter und kichern. Jetzt brüllen sie vor Lachen, diese grausamen Fiktionäre mit ihrem geistreichen und selbstsicheren Gehabe. Ich versinke fast vor Scham. Als ich nach links schaue, sehe ich, dass Truman Capote eine Kopie meines Gedichts in der Hand hält und gequält die Augen verdreht. Gnädigerweise führen mich die blauen Anzüge fort von ihrem grausamen Gelächter, an einen dunklen und ruhigen Ort.
Dann holen mich die Geräusche zurück nach Corrigan.
Ich hebe den Kopf und runzle die Stirn. Als Erstes fällt mir ein Pochen auf, auch wenn es von hier aus nur schwach zu hören ist. Dann Rufe. Ich höre Autotüren zuschlagen. Hundegebell. Ich frage mich, was der Radau zu bedeuten hat und von wem er ausgeht.
Als er weiter anhält, sehe ich mich genötigt herauszufinden, was los ist. Leise schlüpfe ich aus meinem Zimmer und ins Wohnzimmer hinüber. Ich ziehe die Vorhänge zurück und suche die Straße ab. Vor Jeffreys Haus ist irgendetwas im Gange. Mein Wackerstein sinkt tiefer, und mir stockt der Atem. Vier Männer zerstören im Scheinwerferlicht ihres eigenen Pickups An Lus Garten. Es kommt mir fast unwirklich vor durch das Fensterglas. Sie zerren an seinen Blumen, seinen kleinen Sträuchern, reißen alles heraus und werfen die größeren Pflanzen gegen die Hauswand. Ich habe Angst: Umso mehr als nun das Verandalicht angeht und An Lu aus dem Haus kommt. Auch wenn ich ihn nicht hören kann, weiß ich, dass er mit ihnen spricht. Er streckt die Handflächen aus, als bitte er ruhig um eine Erklärung. Dann deutet er auf seinen Garten. Doch sie hören nicht auf, ihn zu verwüsten, bis er fast vollständig zerstört ist. An Lu steigt langsam die Stufen herab. Er sieht verwirrt aus, und ich zittere.
Er fällt nicht hin, als sie ihm ins Gesicht schlagen. Er wankt, aber er steht noch. Er streckt abwehrend die Arme aus, doch sie packen ihn, zerren an ihm und schlagen immer wieder auf ihn ein. Auf Körper und Gesicht.
Erst als ich Jeffrey und Mrs. Lu im Türrahmen erblicke, komme ich zu mir und schreie nach meinem Dad. Mein Vater stürmt aus dem Arbeitszimmer. Er sagt kein Wort, folgt nur meinem Blick. Meine Mutter kommt in einem dünnen Nachthemd aus dem Schlafzimmer, runzelt die Stirn und will wissen, was los ist. Dad späht aus dem Fenster.
Dann ist er auch schon aus der Vordertür und rennt auf die Männer zu. Obwohl ich schreckliche Angst habe, folge ich ihm. Und renne ebenfalls. Die Straße fühlt sich unter meinen nackten Fußsohlen immer noch warm an. Die Nacht ist heiß und still. Mrs. Lu schreit. Sie hält Jeffrey zurück, der wild um sich schlägt, doch sie hat ihn fest gepackt. An Lu liegt jetzt am Boden, er kauert auf dem Rasen. Sie machen immer weiter, schlagen und bespucken ihn. Holen aus und treten zu. Ich kann sie grölen hören:
Du rote Ratte! Du verdammte rote Ratte!
Mein Vater brüllt sie an, während er auf sie zurennt. Verlangt, dass sie aufhören. Doch sie tun es nicht. Auch ich stoße schrille Schreie aus. Weitere Verandalichter gehen an. Dann ist mein Vater bei ihnen. Er ist so groß. So gottverdammt groß. Ich sehe, wie er einen der Männer wegreißt und einem anderen einen kräftigen Stoß versetzt. Grunzen ist zu hören und das Klatschen von Fleisch. Jemand schlägt nach meinem Vater, doch er ist zu flink für sie. Er weicht zurück wie ein Boxer und lässt den Schlag ins Leere gehen. Und er stellt sich zwischen sie und An Lu, der sich auf dem Hintern in Richtung Stufen zieht. Ich kann ihn keuchen hören. Mein Vater hat einen der Männer am Kragen gepackt, einen untersetzten jungen Mann, der einen Kopf kleiner ist als
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