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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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unsere perfekten Bewegungen und unsere eleganten Schritte. Doch mich kümmern weder Auszeichnungen noch Lob, denn das Mädchen gehört zu mir, und das ist alles, was zählt.
    Die Blase platzt, als ich Eliza summen höre. Ich öffne die Augen und kehre zurück auf die graue Lichtung. Wir bewegen uns kaum noch, verlagern nur hin und wieder das Gewicht und zertreten das Gras unter unseren Füßen.
    «Denkst du jemals darüber nach, von hier wegzugehen? Corrigan zu verlassen?», murmele ich.
    Seufzend nickt sie langsam mit dem Kopf.
    «Ständig. Ich will nicht hierbleiben. Ich hasse diese Stadt.»
    «Vielleicht können wir zusammen weggehen. Mit Jasper, wenn er so weit ist. Das kann bald der Fall sein. Wir könnten gehen. Zu dritt, meine ich.»
    Eliza hält inne. Sie steht ganz still, zieht sich aber nicht zurück.
    «Ist das dein Ernst? Das würdest du tun? Du würdest aus Corrigan weggehen?»
    «Vielleicht», sage ich. «Wenn du willst, würde ich mit dir fortgehen.»
    Sie tritt einen Schritt zurück und hält mich an den Schultern fest. Ihre Augen suchen meinen Blick.
    «Meinst du das wirklich ernst?», will sie wissen.
    «Ja, das tue ich. Ich würde es tun.»
    «Du würdest mir versprechen, mitzukommen, wenn ich fortgehen will?»
    Ich nicke und lächle kurz.
    Sie schaut mir noch einen Moment in die Augen, dann legt sie das Gesicht wieder an meine Brust und zieht mich fest an sich. Sie umklammert mein Hemd und hält mich lange fest. Ich weiß nicht, wohin mit meinen Händen, also fahre ich ihr damit durch die Haare und küsse ihre Spange. Ich glaube, sie weint. Sie zittert ganz leicht. Nicht zum ersten Mal fehlen mir die Worte. Es scheint mein Schicksal zu sein, nie zu wissen, was ich sagen soll. Aber vielleicht ist das gar nicht notwendig. Vielleicht ist es genau das. Vielleicht ist es besser, wenn ich nichts sage. Vielleicht ist es ungleich hilfreicher, ihr sanft über die Schulterblätter zu streicheln, als ausgefeilte Worte zum Besten zu geben oder ein dummes Gedicht aufzusagen. Vielleicht tue ich endlich das Richtige.
    Wir stehen lange so da. Allmählich atmet Eliza wieder gleichmäßiger. Ich lausche dem Knacken und Rascheln des Buschs, kleinen Explosionen in der Stille, und mache mir keine Sorgen. Alles hat sich verschoben, ist aus der Verankerung gerissen. Doch ich will an nichts anderes denken als daran, wie schön es ist, den Geruch von Eliza Wisharts Haar einzuatmen, und wie warm sich ihr Körper anfühlt. Nichts anderes will ich an mich heranlassen. Was auf diesem kleinen Fleckchen Erde nicht besonders schwer ist. Dieser Ort ist so ungestört und zeitlos, so still und geschützt, dass man die Unbarmherzigkeit, aus der wir kommen, leicht vergisst.
    Es wird schwer sein, wieder von hier fortzugehen. Sich wieder hineinzubegeben. Laura hat es nicht geschafft. Sie konnte unmöglich wieder zurück, also hat sie dafür gesorgt, dass sie hierbleibt.
    Eliza lässt mich los. Sie nimmt meine Hand und führt mich zum Baum. Dann bückt sie sich und geht vor der Aushöhlung in die Knie. Seltsamerweise habe ich bis jetzt noch nie hineingesehen. Jasper hat sie sich eingerichtet. Er hat Regale in die Wände geschlagen, auf denen er alles Mögliche aufbewahrt: Büchsen, Zunder, Kochutensilien, Emaillebecher und -teller, Karten, Bleistifte, Tabak, Tee und Zucker. Sogar eine kleine Gitarre hängt hoch über mir an einem Gleisnagel.
    Eliza, die immer noch meine Hand festhält, kriecht hinein. Ich folge ihr und fühle mich wie ein Eindringling. Als würde ich mir einen Raum aneignen, der mir nicht gehört.
    Eliza legt sich hin. Ich mache es ihr nach. Wir kuscheln uns aneinander. Ich bin nervös und verkrampft, Eliza hingegen macht es sich behaglich. Sie legt eine Hand auf meine Brust, lehnt den Kopf an meine Schulter und flüstert:
    «Lass uns schlafen und nicht mehr reden.»
    Ich runzle die Stirn. Schlafen ist das Letzte, was ich jetzt kann. In gewisser Weise will ich das Summen in meinem Kopf gar nicht aufhalten, aus Angst, mich mit dem, was geschehen ist und noch geschehen wird, ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Ich will nicht nachdenken über das, was wir gerade tun, über Lauras Brief und Elizas Geschichte. Natürlich entlastet sie Jasper Jones. Aber was wird aus mir, wenn wir damit herausrücken? Was wird aus Eliza? Wird Jasper Wort halten und mich aus dem Spiel lassen? Wird Eliza überhaupt reden? Und was wird aus ihrem Vater, wenn sie es tut?
    Was würde geschehen, wenn wir schwiegen? Wenn dieser Ort sein

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