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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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darauf, sie an mich zu pressen, weil ich weiß, wie viel Mut es mich gekostet hat, und weil es war, als hätte sich ein Gewicht verlagert, sobald ich sie in der Hand hielt. Ich beschließe, einen der Kerne für mich zu behalten, nur einen einzigen Kern für diesen ganzen schrecklichen Sommer. Und vielleicht einen für Eliza. Die anderen werde ich Jeffrey geben.
    Die Menge umringt mich noch eine Weile, ehe mein Moment des Triumphs von jemandem am Rand unterbrochen wird, der plötzlich zur Stadt deutet und einfach nur sagt: «Seht mal.»
    Wir verstummen und heben die Augen. Da stimmt etwas nicht.
    Die Rauchsäule ist dicht und dunkel, wie ein Vulkan vor dem Ausbruch. Sie ist weit weg, aber nicht zu weit. Und sie scheint sich gefährlich nah am Stadtzentrum zu befinden. Einen Moment lang nehmen wir sie alle stumm in uns auf, diese einzelne Säule, die sich kerzengerade nach oben windet. Kein Lüftchen regt sich. Und wir betrachten sie mit dem gebotenen Respekt. Das hier ist ein dunkler Geist mit Substanz. Jeder in Corrigan weiß, dass wir es hier mit etwas sehr Realem zutun haben, das hier ist etwas, wovor man Angst haben muss, diese Art von Rauch hat ein Herz aus Feuer.
    Ich kneife die Augen zusammen und versuche sie genau zu verorten, und ich frage mich, was so schnell in Flammen aufgegangen sein kann. Dann lasse ich das Obst fallen und renne los.

    Ich habe Seitenstechen. Wie von einem zackigen Stück Eisen, das sich mir in die Seite bohrt. Ich versuche, mir nicht bei jedem Schritt vorzustellen, wie die Muskeln vom Knochen abreißen. Es tut weh, doch die angstvolle Kraft der Vorahnung treibt mich weiter, und jetzt bin ich nahe genug, um den Rauch zu riechen und die Sirenen zu hören. Ich hoffe, dass ich mich irre. O Gott, o Jesus Christus, hoffentlich irre ich mich. Ich bin völlig außer Atem, ich kann nicht mehr, doch ich zwinge mich weiterzulaufen. Am Fluss, der Brücke und dem Bahnhof entlang, durch die Stadt und an der Miners’ Hall vorbei. Meine Sorgen werden immer größer und auch mein Verdacht. Das Hemd klebt mir am Leib, und der Schweiß tropft mir vom Kinn. Mein Atem ist rau und dünn. Weit komme ich nicht mehr.
    Ich stolpere schwerfällig den Hang zum Cricketfeld hinab und sehe in der Ferne Menschen zum Feuer eilen; seiner Lage nach zu urteilen, scheint meine Ahnung bestätigt, und mir sacken fast die Beine weg. Doch ich muss weiter. Über den Rasen und hinauf auf die Straße. Ich laufe mit stolpernden Schritten, und meine Arme schlackern, als hätte ich keine Knochen mehr. Ich höre Stimmen und Tumult. Jetzt bin ich in ihrer Straße. Die Weidenmyrten recken ihre schattigen Arme. Und es ist das reinste Chaos. Wahnsinn. Ich hechte den Pfad entlang, sehe einen Krankenwagen, und mir schnürt es die Kehle zu. Ein Feuerwehrauto steht quer auf dem Rasen vor Elizas Haus. Nachbarn besprühen aus Gartenschläuchen die Straße. Eine Menschenkette reicht Wassereimer weiter. Weniger hilfreiche Zuschauer werden zurückgedrängt. Ich renne hin und zwänge mich nach vorn. Und dort, direkt vor mir, dringt ein wütendes Knistern aus dem Haus der Wisharts. Es ist ein einziger Feuerkasten. Rote und orangefarbene Zungen lecken an zerbrochenen Fenstern. Doch sie scheinen es unter Kontrolle zu haben. Die Luft ist stickig, und das Atmen fällt schwer. Ich kann es nicht glauben. Ein bärtiger Mann in Khakifarben brüllt mich an, aber ich bleibe, wo ich bin, und suche die Menge ab. Sie ist wie eine Wand aus Hitze. Ich muss die Augen zusammenkneifen, um im Rauch etwas erkennen zu können. Doch da ist sie!
Da!
Himmel, sie ist da. Ich breche fast zusammen, als ich sehe, dass sie wohlauf ist. Ich werde von jemandem zurückgezogen, der an mir vorbei auf das lodernde Feuer zustapft. Er wirft mir über die Schulter ein paar strenge Worte zu, doch ich höre ihn nicht. Eliza steht hoch aufgerichtet neben ihrer Mutter, die in ein Taschentuch weint. Ich sehe, wie Mrs Wishart immer wieder zu ihrem Haus hinüberblickt, sich dann zusammenkrümmt und das Gesicht abwendet. Eliza wirkt so unbeteiligt, als wäre es das Heim einer anderen Familie.
    Und da ist der Bezirkspräsident. Er liegt flach auf dem Rasen und wird von Sanitätern versorgt. Offensichtlich hat man ihn aus dem Haus gerettet. Er trägt eine Sauerstoffmaske. Ich sehe, wie sie ihn vorsichtig aufrichten. Er stützt die Arme auf die Knie, sein rechtes Bein ist verbunden. Seine Haare sind verstrubbelt, und er trägt kein Hemd. Sein Bauch sieht aus wie ein Ballon. Er ist verschwitzt

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