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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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verschwörerisch.
    «Wirklich? Was hat er ausgefressen? Hat er großen Ärger?»
    «Es war bloß seine übliche Dummheit. Nichts wirklich Schlimmes, weißt du.»
    Ich bin nervös. Wo sind mein Witz und mein Esprit, die sich in einem solchen Moment einstellen sollten, so wie ich es mir immer vorgestellt habe? Sie haben mich verlassen. Ausgerechnet dann, wenn ich sie brauche, lässt mich meine Schlagfertigkeit im Stich.
    «Und was hast du in der Stadt gemacht?», will Eliza wissen.
    «Ach, nichts», sage ich und schaue zu Boden. «Ich war bloß in der Bücherei.»
    Sie nickt.
    «Hab ein bisschen, du weißt schon,
gelesen

    «In einer Bücherei?»
    Für einen kurzen Moment bin ich verwirrt, und sie lächelt. O Mann, sie hat mich schon wieder überrumpelt. Und wie. Ich muss unbedingt in die Gänge kommen. Ich spüre, wie ich rot werde, und scharre mit der Ferse.
    «Das ist nämlich weniger auffällig, als so zu tun, als würde man draußen vor einem Buchladen herumstöbern.»
    «Was soll das heißen?» Sie verlagert das Gewicht auf ihr anderes Bein und legt den Kopf schief.
    «Na ja, es sieht zwar so aus, als würdest du dich bloß ein bisschen umsehen, aber ich weiß, dass du in Wirklichkeit darauf aus bist, kostenlos Bücher zu lesen. Du bist aufgeflogen.»
    Sie verdreht lächelnd die Augen.
    «Ja, du hast mich auf frischer Tat ertappt. Du würdest wirklich einen guten Detektiv abgeben, Charlie.»
    Das holt mich in die Wirklichkeit zurück. Mein Kopf dreht sich, und in meinem Zeh pocht es. Ich bringe ein schwaches Lächeln zustande und kämpfe gegen die Übelkeit an. Eine Libelle saust auf Hüfthöhe an mir vorbei, und ich schrecke zurück, als hätte man mich angeschossen.
    Sie zieht die Augenbrauen hoch.
    «Ich muss gehen, Charlie. Ich habe mich nämlich von zu Hause weggeschlichen.»
    «Oh. Verstehe.» Wie eine Taube nicke ich pausenlos vor mich hin.
    Eliza winkt mit dem dünnen Band, den sie in der Hand hält, und streicht ihr Kleid glatt. «Ich will das nur schnell bezahlen», sagt sie und zögert, als sie die Tür öffnet. «Möchtest du mich nach Hause begleiten?»
    Mir steht der Mund offen. Ich zucke die Achseln und nicke immer weiter.
    Die kleine Glocke an der Tür bimmelt, als diese hinter Eliza ins Schloss fällt. Mir bleibt einfach nicht genug Zeit, um mich zu sammeln. Ich verfluche meine Entscheidung, die schmutzigen Klamotten anzuziehen. Hoffentlich stinke ich nicht.
    Ich schnuppere gerade an meiner Achselhöhle, als Eliza mit dem Buch in einer braunen Tüte wieder herauskommt. Ich lasse den Arm so heftig herabfallen, dass mir die Luft wegbleibt.
    Wir gehen los, und ich mache mir vor Nervosität fast in die Hose. Soll ich ihre Hand nehmen? Soll ich? Ich sollte. Aber meine Hände schwitzen. Und zwar gewaltig. Das wäre bestimmt nicht gut. Eher unangenehm. Als würde ich ihr einen nasskalten Wurm in die Hand drücken. Also ist es wohl besser, wenn ich es bleibenlasse.
    Dafür gehe ich dicht neben ihr, als wir uns dem Cricketplatz nähern. Hoffentlich sind diese streitsüchtigen Blödmänner auf dem Übungsplatz, damit sie uns zusammen sehen können. Doch das sind sie nicht. Bis auf einen alten Mann, der im Schatten eines Feigenbaums seinen Golfschwung trainiert, ist das Oval leer.
    Ich tue so, als würde ich ihm interessiert zuschauen. Ich bin in Panik. Ich sollte sie mit meinem Geplauder unterhalten. Die Schultern straffen wie Jasper Jones. Verzweifelt suche ich in meinem hohlen, leeren Schädel nach Esprit und Schlagfertigkeit.
    «Welches Buch hast du gekauft?», frage ich und weise mit dem Kopf auf die braune Tüte.
    «Oh.» Eliza hält sie mit beiden Händen hoch.
«Frühstück bei Tiffany.»
    Ich nicke kurz und klappe den Mund auf und zu wie ein großer Fisch. Insgeheim verfluche ich mich dafür, es nicht gelesen zu haben. Und ich beschließe, es zu tun, gleich heute Abend.
    «Ich habe den Film viermal gesehen», sagt sie. «Aber noch nie das Buch gelesen. Mum sagt, ich darf nicht, aber das ist so dumm, weil ich doch schon weiß, was passiert. Ich werde es trotzdem tun. Ich kann es kaum erwarten. Ich wünschte, ich würde in Manhattan leben.»
    «Ich auch. Oder vielleicht in Brooklyn», sage ich.
    «Gut, dann lebe ich in Manhattan und du in Brooklyn, und wir treffen uns zum Fünf-Uhr-Tee im Plaza Hotel. Ich trage einen Fuchspelz und Penny Loafers und du einen karierten Schal und einen braunen Nadelstreifenanzug. Und eine Pfeife.»
    «Klingt toll.»
    Wir gehen den Kiesweg hinter dem Cricketplatz

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