Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
Vom Netzwerk:
ihre Augen sind verweint und geschwollen. Sie sieht verhärmt und wütend aus. Ich weiche zurück.
    «Was
machst
du bloß?», schreit sie Eliza an und duckt sich unter unseren Blätterschirm. Ihre Mundwinkel hängen scharf herab. Eliza bleibt ruhig und gefasst, als ihre Mutter sie an den Schultern packt und so fest schüttelt, dass ihr Kopf hin und her fliegt. Eliza wirkt so zerbrechlich, als könnte sie zerspringen, doch sie hält stand.
    «Was machst du bloß? Du dummes Ding! Wo bist du gewesen? Und warum, um alles auf der Welt, gehst du aus dem Haus, ohne jemandem Bescheid zu sagen? Wir haben überall nach dir gesucht! Du dummes,
dummes
Ding! Was tust du mir nur an?»
    Elizas Mutter zittert vor Aufregung und gibt sich alle Mühe, das Schluchzen zu unterdrücken. Sie hält ihre Tochter weiterhin an den Schultern gepackt.
    Eliza sieht aus wie eine Gefangene. Als sei sie in die Klauen eines Raubvogels geraten. Sie spricht mit sanfter Stimme.
    «Ich bin bloß für einen Moment hergekommen, um Charlie zu treffen. Ich war nicht weit weg. Nur hier. Und ich habe es Dad gesagt, bevor ich gegangen bin.»
    «Erzähl mir keine Lügen!»
    «Das tue ich nicht», sagt Eliza nur und zuckt die Achseln.
    Ihre Mutter schlägt ihr ins Gesicht, nur einmal, aber fest. Ich bin betroffen und verlegen. Eliza wirkt ungerührt.
    «Und woher hast du dann
das
, mein Fräulein?» Elizas Mutter reißt ihr das Buch aus den Händen und hält es ihr dicht vor das Gesicht.
    Elizas Ruhe imponiert mir.
    «Charlie hat es für mich gekauft. Deshalb haben wir uns hier getroffen. Er wollte mir ein Geschenk machen. Das ist alles.»
    Zum ersten Mal sieht ihre Mutter mich an, aufgebracht und misstrauisch. Es ist klar, dass sie das für Unsinn hält. Mein Gesicht zeigt eine Mischung aus Furcht und eifriger Bestätigung.
    «Nun, ich glaube, es wird Zeit, dass du dich auf den Heimweg machst, wenn du nichts dagegen hast», sagt sie kurz angebunden zu mir, ehe sie Eliza am Arm packt und mit sich zerrt.
    Eliza dreht sich um und schenkt mir ein dünnes Lächeln.
    «Mach’s gut, Charlie. Und danke für das Buch.»
    «Keine Ursache», rufe ich und füge hinzu: «Wir sehen uns im Plaza», aber ich glaube nicht, dass sie mich hört, also bleibt mein erster Anflug von Esprit in der Blätterwand hängen.
    Ich ziehe die grünen Äste auseinander und sehe, wie sich Elizas Mutter zitternd vorbeugt und sich schluchzend die Hände vor das Gesicht hält, während die beiden auf ihr Haus zugehen. Die Balance hat sich verschoben, fällt mir auf, jetzt führt Eliza
sie
zurück. Sie hat ihrer Mutter den Arm um die Taille gelegt und beugt sich zu ihr herüber.
    Ich denke über Elizas Verhalten nach. Sie war so konzentriert und gelassen. So sachlich inmitten der Panik. Ich schaue zu, wie sie die Treppe vom Garten zum Haus hochsteigt und ihre weinende Mutter stützt. Jemand kommt ihnen mit ausgestrecktem Arm und besorgtem Blick entgegen. Ich weiche hinter die Äste zurück. Die Erkenntnis durchfährt mich wie ein Stich. Ein Funkenregen scheint meine Haut zu überziehen. Mir springt fast das Herz aus der Brust, und mein Wackerstein rutscht tiefer.
    Eliza Wishart weiß etwas.

    Ehe ich die Haustür zumachen kann, hat meine Mutter mich schon geohrfeigt. Jäh und fest. Ähnlich wie Mrs. Wishart, nur mit deutlich mehr Boshaftigkeit. Das Brennen hört gar nicht mehr auf. Ich fasse mir erschrocken ins Gesicht. «Er ist es, Wesley! Alles in Ordnung!», ruft sie meinem Vater zu.
    Es kommt selten vor, dass meine Mutter mich schlägt. Und noch seltener, dass sie meinen Vater Wesley nennt. Vermutlich bedeutet es, dass ich ziemlich tief in der Kacke sitze. Auf dem Weg durch unsere verlassene Straße hatte ich gehofft, sie würde meinen heimlichen Abgang heute Morgen vergessen haben.
    Dann schlägt sie mich erneut. Noch fester. Ich schreie protestierend auf. Und das Verhör beginnt.
    «Was, in Gottes Namen, hast du dir dabei gedacht? Wo hast du gesteckt?»
    «Bei Jeffrey!», schreie ich sie an und wende verdrossen die Augen ab. Hoffentlich glänzen sie nicht.
    «Unsinn, Charlie. Lüg mich nicht an!» Wieder schlägt sie zu und schüttelt mich am Kragen.
    «Hör auf! Es ist
wahr
!» Das ist es ganz offensichtlich nicht. Ich bin ein schrecklicher Lügner.
    «Ich war vor drei Stunden drüben und habe nach dir gesucht, junger Mann. Du lügst! Wo bist du gewesen?»
    «Ich war nur in der Bücherei! Reg dich ab. Es tut mir leid!»
    «Mich abregen? Mich
abregen
? Herr im Himmel, sollen die Leute

Weitere Kostenlose Bücher