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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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du mich verstanden? Und ich nehme dir die Bücher weg. Jedes einzelne. Du hast die Wahl.»
    «Was? Aber das ist nicht fair. Das ist doch lächerlich!»
    «Es geht mir nicht darum, fair zu sein. Ich will dir beibringen, das zu tun, was man dir sagt.» Damit marschiert sie zum Haus zurück. Sie weiß, dass sie gewonnen hat. Sie gewinnt immer.
    Ich nehme den Spaten schlapp in die Hand und starre auf den Flecken Erde, als hätte er mich verraten, als wäre er das Tor zur Hölle selbst.
    Mit finsterem Blick steche ich den Spaten in den Boden und stelle mir dabei vor, ihr den Kopf abzutrennen. Ich schwitze jetzt schon. Fliegen umschwirren mich, als wäre ich ihr Heiliger Gral, und ich verkrampfe mich vor Angst, wenn sie auf mir landen. Ich steche, stemme, hebe und verfluche meine Mutter in der dreckigsten Ausdrucksweise, die ich zustande bringe. Damit hat ihre Rachsucht eine gänzlich neue Stufe erreicht. Vielleicht kann ich sie in das Loch werfen, wenn ich damit fertig bin. Mein Zorn erleichtert mir die Arbeit ein wenig. Für eine Weile zumindest hat sie eine durchaus kathartische Wirkung. Doch die währt nur so lange, bis die sandige obere Schicht in kompakten Lehmboden übergeht und sich auf meiner Handfläche eine Blase bildet. Ich ziehe mir das nasse T-Shirt aus und werfe es auf den Boden. Dann kicke ich mit dem Fuß ein wenig Lehm darauf, schließlich weiß ich, wer es waschen muss. Ich habe Durst. Ich sterbe. Mir ist so verdammt heiß, dass ich das Gefühl habe, mein eigenes Grab zu schaufeln.
    Ich versuche mir auszumalen, welchem Zweck das Loch dienen mag. Die Tatsache, dass ich hier draußen gebraten werde, lässt mich hoffen, dass irgendeine schattige Baumart darin Platz finden soll. Vielleicht ein Blaugummi- oder Papierborkenbaum. Oder ein riesiger Maulbeerbaum, wie Mr. Malcolm unten an der Straße einen hat. Irgendein Baum, unter dem man lesen kann, wäre schön. Vielleicht sogar eine Weidenmyrte, so ausladend und aromatisch wie die in Elizas Straße.
    Ich denke an Eliza und mich im Schatten der Bäume. An ihren frischen Mädchengeruch, ihre vor Hitze geröteten Wangen, ihre traurigen, zu Boden gewandten Augen. Und an den merkwürdig abwesenden Blick, mit dem sie zu ihrem Elternhaus hinübersah, als sie mir von Laura erzählte. Ich wünschte, ich hätte ihre Hand gehalten oder ihr über die Wange gestreichelt. Ich wünschte, ich hätte ihr sagen können, dass alles gut wird. Dass Laura bald wiederauftaucht.
    Aber Laura Wishart ist tot. Das weiß ich. Ich habe gesehen, wie Jasper Jones sie abschnitt. Dann haben wir sie ins Wasser geworfen. Und jetzt suchen sie nach ihr, und wenn sie sie finden, werden sie mich holen kommen.
    Ich wünschte, ich hätte genauer nachgefragt. Ich habe so viele Fragen. Eliza mag nicht wissen, was ich weiß, aber irgendetwas hat sie in petto. Verdächtigt sie jemanden? Weiß sie über Laura und Jasper Jones Bescheid? Weiß sie von Jaspers Lichtung? Weiß sie, dass Laura sich abends dort hingeschlichen hat? Sicher nicht.
    Vielleicht aber doch.
    Eliza Wishart besitzt die fehlenden Seiten des Buches, das zu diesem schrecklichen Ende führt. Oder jedenfalls einige davon. Aber wie soll ich sie ihr abluchsen? Ich muss Eliza wiedersehen. Damit ich Jasper die Seiten geben kann, wenn er das nächste Mal an mein Fenster kommt. Damit wir diesen Schlamassel beseitigen können.
    Die Blase an meiner Hand platzt auf. Ich atme zischend ein und schaue nach unten, wo ich wenige Zentimeter von meinem Fuß entfernt einen kupferfarbenen Tausendfüßler entdecke. Er ist riesig, mit Sicherheit so groß wie eine Python. Ob er Fledermäuse frisst? Auf jeden Fall könnte er mit Leichtigkeit eine Katze erlegen. Oder ein kleines Kind. Ich schnappe nach Luft, lasse den Spaten fallen und renne zum Zaun.
    Natürlich kommt in diesem Moment meine Mutter aus dem Haus gestürmt wie ein wütender Bandit aus einem Saloon. Die Fliegentür schnellt krachend gegen die Hauswand und dann zurück an ihren Platz. Durchdringend blickt meine Mutter vom Loch zu mir.
    «Entschuldige mal, ich kann mich nicht erinnern, dir gesagt zu haben, dass du aufhören kannst! Grab weiter, Charles Bucktin», sagt sie streng.
    Ich schließe die Augen und atme aus.
    «Ich hab eine Blase.»
    «Und ich einen faulen Sohn. Beides tut weh. Du kannst Jod haben, wenn du fertig bist. Los! Grab weiter! Ist das dein Hemd? Hol es aus dem Dreck, du Schmutzfink! Behandle deine Sachen mit ein wenig Respekt!»
    Während ich zum Loch zurückgehe, grinse ich in

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