Wer hat Angst vor Jasper Jones?
Mad Jack Lionel erfahren. Mehr über Laura. Über Corrigan. Über das, was Leute zu ihrem Tun veranlasst. Ich muss die Dinge eingrenzen und anfangen, Unwichtiges wegzulassen. Solange ich das nicht tue, bleibe ich eine wirbelnde Wundertrommel aus halbgaren Gedanken und Sorgen, geplagt von verschwommenen Eingebungen und von Hyänen gejagt.
Ich fange an zu graben, als hätte es einen tieferen Sinn. Ich versuche ganz in meiner Aufgabe aufzugehen. Ich will nicht mehr nachdenken. Es ist, als hätte ich eine Aderpresse um den Kopf. Ich habe mir das alles nicht ausgesucht.
Als die Dämmerung einsetzt, stehe ich bis zum Brustkorb im Loch und fühle mich, als würde mir Säure durch die Adern rinnen. Sobald ich den Spaten hinlege, merke ich, wie steif und erschöpft ich bin. Ich lehne an der Wand der Grube und untersuche meine Handfläche. Meine Brillengläser sind verschmiert, aber ich habe nichts Sauberes, mit dem ich sie abwischen könnte.
Als hätte sie meine Inaktivität gewittert, höre ich meine Mutter aus der Hintertür rauschen und auf mich zukommen. Ich drehe mich nicht um. Die Hände in die Hüften gestemmt, stellt sie sich vor mich an den Rand des Lochs und nickt bedächtig. Ich würde gern glauben, dass sie mein Tun widerwillig anerkennt.
Ich warte darauf zu erfahren, warum ich mich den ganzen Nachmittag durch Erde gewühlt habe. Ich schaue auf den Erdhaufen rechts von mir und bin trotz allem ein bisschen stolz auf meine Arbeit. Ich habe eine kleine Glanzleistung vollbracht. Und etwas in mir sehnt sich nach ihrer Anerkennung. Sie soll eingestehen, dass das hier ein verdammt geniales Loch ist. Sie soll meine Mühe anerkennen. Mir sagen, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Dass es für ihre Zwecke perfekt ist.
Doch ich werde sie nicht nach dem Grund für das Loch fragen.
Ich schaue nicht auf und reibe mit dem Daumen über meine Handfläche. Es wirkt vermutlich aufsässig, doch das ist mir egal.
«Also gut, Charlie», sagt sie in einem Ton, der immer noch streng klingt. «Du kannst jetzt aufhören zu graben.»
Ich bleibe stumm, hebe jedoch den Kopf, als sie auf den Erdhaufen deutet.
«Und jetzt füllst du das Loch wieder auf.»
Es dauert einen Moment, bis der Groschen fällt, während sie schon wieder in Richtung Haus geht. Ich starre entsetzt auf den Erdhügel. Dann fahre ich herum.
«Was?»
«Füll es wieder auf», sagt sie mit dem Rücken zu mir.
«Was meinst du damit, ich soll es wieder
auffüllen
?», rufe ich und spüre einen Kloß in der Kehle und Hitze im Gesicht.
Sie dreht sich um. Offensichtlich ist sie sehr zufrieden mit sich. Plötzlich sieht sie aus wie ihr Vater. Wie ein arrogantes Murmeltier.
«Ich meine damit, dass du
dieses
Loch mit
dieser
Erde wieder füllen sollst, Charlie. So kann es nicht bleiben. Ich will kein riesiges Dreckloch in meinem Garten. Es wird nicht lange dauern. Und spritz dich bitte mit dem Schlauch ab, ehe du ins Haus kommst. Danke.»
Ich bin außer mir. In einiger Entfernung höre ich die Kookaburras wieder loslegen. Ich schüttele den Kopf.
«Nein», sage ich bestimmt.
«Wie bitte?» Ihre Augen weiten sich. «Was hast du gerade gesagt?»
«Ich habe nein gesagt. Das ist lächerlich. Ich bin fix und fertig. Ich fülle das nicht wieder auf. Wenn du kein Loch haben wolltest, hättest du mich keines graben lassen sollen. Vergiss es.»
«Was hast du gerade zu mir gesagt?» Sie beugt sich vor.
«Bist du taub, oder was? Ich habe gesagt, ich fülle das nicht wieder auf. Das ist mir zu blöd. Ich habe mich ganz umsonst abgeschuftet!»
«Da bist du nicht der Einzige, junger Mann. So ist das Leben!»
«Nein, ist es nicht!», brülle ich sie an. Jetzt ist mir alles egal. «
Dein
Leben mag so sein. Aber meins nicht!»
«Pass auf, was du sagst!» Jetzt schreit sie ebenfalls. Eine geschwollene Ader zieht sich über ihre Stirn. «Charlie, entweder du drehst dich jetzt um und beendest deine Arbeit, oder du verbringst den Rest des Sommers in deinem Zimmer. Das ist mein Ernst. Und Weihnachten kannst du vergessen! Du willst eine Verwendung für das Loch? Dann wirf deine unverschämte Haltung hinein und vergrabe sie. Also, was ist? Du hast die Wahl, Charles Bucktin.»
Das ist keine Wahl. Das ist, als hätte ich in jeder Hand einen Scheißhaufen und müsste mich entscheiden, ob ich den linken oder den rechten essen will. Ich wende ihr den Rücken zu, weil ich ihr weder die Genugtuung einer Antwort gönnen will noch die des Anblicks meiner von salzigen Tränen verschleierten
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