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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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nicht, was ich sagen oder ob ich nicht besser den Mund halten soll. Nie fallen mir die richtigen Worte ein. Wahrscheinlich sollte ich ihm mein Beleid aussprechen. Das machen sie jedenfalls in Büchern und Filmen so.
    «Es tut mir wirklich leid, Jeffrey.»
    «Du kannst ja nichts dafür.»
    «Du weißt schon, was ich meine, Idiot.» Das sage ich mit einem kleinen Lächeln. Dann senke ich den Kopf. «Deine Ma tut mir ehrlich leid. Es muss ihr das Herz gebrochen haben.»
    «Ja.» Jeffrey nickt. «Und wütend ist sie auch. Sie schreit richtig rum. Gestern Abend hat sie sogar
Scheiße
gesagt.
Scheiß
dies,
scheiß
das.»
    «Ehrlich?»
    «Ja, ehrlich.» Jeffrey grinst.
    «Kann ich mir gar nicht vorstellen.»
    «Ich weiß. Hört sich komisch an. Du hättest mal meinen Vater sehen sollen. Er war völlig geschockt. Hat sofort in meine Richtung gesehen, als wäre ich schuld daran.»
    Wir kichern beide vor Erleichterung. Dann stecken wir uns gegenseitig an und hören gar nicht mehr auf zu lachen. Wir können nichts dagegen tun.
    Dann reden wir wieder über Doug Walters. Jeffrey versichert mir, dass er noch nicht fertig ist und morgen bestimmt so weiterspielen wird. Ich bringe es nicht über mich, ihm zu widersprechen. Wir diskutieren über die positiven Aspekte von männlichen Brustwarzen und kommen zu dem Schluss, dass sie keinerlei irdischen Nutzen haben. Und wir rätseln darüber, wie sie die Streifen in die Zahnpasta kriegen.
    Ich frage Jeffrey, ob er glaubt, dass außer den Menschen auch Tiere wissen, dass sie eines Tages sterben, oder ob sie einfach davon überrascht werden.
    «Natürlich haben sie keine Ahnung», meint er. «Sie sind Idioten. Abgesehen von den Affen. Und den Olifanten, die wissen es vielleicht. Hat wahrscheinlich mit Kommunikation zu tun. Wenn du zum Beispiel das unerwünschte Kind eines Pirrraaten wärst und sie würden dich allein auf einer unbewohnten Insel zurücklassen, wo du mit keiner Menschenseele in Kontakt kämst, glaube ich nicht, dass du etwas übers Sterben wüsstest.»
    «Klingt einleuchtend.» Ich nicke. «Trotzdem ist es eine komische Gabe. Dadurch, dass man es weiß, kommt man einfach nicht drum herum, darüber traurig zu sein, dass man selbst und alle, die man kennt, irgendwann sterben müssen. Was wäre dir denn lieber? Es nicht zu wissen und dich am Ende davon überraschen zu lassen oder dein Leben lang Bescheid zu wissen und dich davor zu gruseln?»
    Jeffrey macht ein nachdenkliches Gesicht.
    «Ich nehme an, die meisten Leute würden es lieber nicht wissen und nicht darüber nachdenken müssen. Aber ich glaube, ich würde mich dafür entscheiden, es wissen zu wollen. Ja. Ansonsten hängt man nur faul und träge rum und schiebt alles auf die lange Bank. Aber wenn dir jemand erzählt, dass du nächste Woche abtreten musst, dann würdest du wahrscheinlich noch so viel wie möglich unternehmen, Fallschirmspringen und so was.»
    «Stimmt.» Ich nicke.
    «Aber man kann es nun mal
nicht
wissen. Wahrscheinlich haben sie sich den ganzen Quatsch über den Himmel nur deshalb ausgedacht. Damit sich die Leute besser fühlen. Als Dschieses Kreist angefangen hat, ihnen einzureden: ‹Ach, wisst ihr, macht euch mal keine Gedanken. Es ist nicht
alles
vorbei. Wenn ihr brav seid, dürft ihr hinterher auf einer Wolke sitzen, an der Harfe zupfen und nackig Volleyball spielen›, haben sie alle gelächelt und genickt und sich nur noch Gedanken darum gemacht, schön brav zu sein.»
    «Ich schätze, Dschieses gefällt dein Ton ganz und gar nicht.»
    «Natürlich nicht, Chuck. Ich bin der Verkünder der Wahrheit. Ich sollte einen Kult ins Leben rufen.»
    Der Himmel ist jetzt leuchtend orange. In der kühlen Luft kann ich Vögel rufen hören. Und das grelle Kreischen der Nachbarskinder, die an den Wäscheständer geklammert über dem Rasensprenger hin und her schaukeln. Jeffrey springt auf.
    «Also gut. Ich muss zurück, Chuck.»
    «Alles klar.»
    Er wirft den Kopf in den Nacken und schlägt sich gegen die Stirn.
    «Ich hab ganz vergessen, dass Dad heute Abend das Abendessen kocht, weil meine blöde Mutter nicht aus dem Schlafzimmer kommen will. Herrje, wird das ein Albtraum. Alles, was er kocht, fühlt sich an wie Schleim und schmeckt wie gepökelter Eiter. Salziger Eiter, Chuck. Das stülpt dir das Innerste nach außen. Er hält sich für den besten Koch der Welt, dabei ist er
grottenschlecht

    «Hört sich an wie mein Dad.»
    «Das gehört verboten. Gegen so etwas müsste es Gesetze geben», sagt Jeffrey

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