Wer hat Angst vor Jasper Jones?
beim Hinausgehen.
«Antrag angenommen, Sir.»
Ich begleite ihn zur Hintertür. Ich weiß, dass ich etwas Passendes und Tröstliches sagen sollte, doch mir fällt nichts ein. Mir fehlen die Worte. Wie immer, wenn ich sie brauche. Ich schürze die Lippen und mache ein hilfloses Gesicht.
Jeffrey salutiert vor mir.
«Auf Wiederhörnchen, Chuck.»
«Bis Baldrian», sage ich und schaue ihm nach. Er schlurft davon, seine Schultern sind leicht gebeugt, wie ich es bei ihm noch nie gesehen habe.
Ich schaue mir mit meinem Vater zusammen die Nachrichten an. Über unseren Köpfen ruckelt und dreht sich der Deckenventilator, und wir halten beide ein Glas eisgekühlten Limettenbittercocktail in der Hand. Ich bin voller Erwartung und hoffe etwas über Jeffreys Verwandte zu erfahren. Irgendeinen Aufruhr. Marschierende und Sprechchöre in den Straßen, wie ich sie schon gesehen habe. Doch über Vietnam kommt überhaupt nichts. Kein Bericht, keine Erwähnung.
Stattdessen sehe ich schockiert die Miners’ Hall auf dem Bildschirm erscheinen und Leute, die durch das Stadtzentrum von Corrigan schwirren. Im Fernsehen! Zuerst erkenne ich es gar nicht. Mein Vater beugt sich im Sessel vor und verschüttet fast den Drink, den er in der Hand hält. Er ruft meine Mutter, die gerade mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt ist. Sie kommt herein und wischt sich die Hände an einem karierten Geschirrtuch ab. Ein sorgenvolles Stirnrunzeln verdüstert ihre Züge. Sie steht da und stemmt die Hände in die Hüften.
Da ist Lauras Foto. In Schwarzweiß. Sie lächelt gezwungen, als hätte sie jemand dazu gedrängt. Irgendetwas fehlt in ihren Augen.
Der Nachrichtensprecher sagt, dass sie höchstwahrscheinlich weggelaufen sei, und bittet die Leute in der Stadt, die Augen offen zu halten und die Polizei anzurufen, wenn sie irgendetwas wissen oder Laura gesehen haben. Der Wackerstein in meinem Magen knirscht. Und da sind Mr. und Mrs. Wishart. Seite an Seite vor ihrem Haus. Pete Wishart steht mit stoischer Ruhe da, unbeholfen und entschlossen. Seine Frau ist weniger beherrscht. Ihre hängenden Gesichtszüge wirken verhärmt. Ihre Augen sind geschwollen. Sie schweigt und nickt mit zusammengepresstem Mund, als ihr Ehemann die Leute höflich bittet, sie auf jede erdenkliche Art zu unterstützen. Es ist schrecklich mit anzusehen. Wenigstens ist Eliza nicht dabei.
Die Nachrichten wechseln zum nächsten Thema. Mein Vater dreht sich zu mir um.
«Davon wusste ich gar nichts. Von dem Bericht.»
«Und was hat das zu bedeuten?», frage ich.
«Auf jeden Fall, dass sie bisher nicht wiederaufgetaucht ist. Vielleicht hat sie es bis in die Großstadt geschafft. Es ist beunruhigend, das muss ich zugeben, Charlie. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie heute auftauchen würde. Vielleicht ist sie weiter gekommen, als wir angenommen haben.»
Ich atme schnell. Hantiere mit meinem Glas herum.
«Du glaubst also immer noch nicht, dass es etwas, na ja, Schlimmeres ist?»
Er seufzt und lehnt sich in meine Richtung.
«Darüber haben wir schon gesprochen.»
«Ich weiß, aber …» Ich deute auf den Fernseher.
«Hör zu. Es gibt immer noch nichts, was in diese Richtung weist. Verstehst du, Charlie? Laura Wishart war Donnerstagabend zu Hause in ihrem Bett. Das haben ihre Eltern bestätigt. Und am nächsten Morgen war sie nicht mehr da. Das ist alles. Es gibt keine Hinweise auf einen Konflikt oder einen Kampf oder etwas in der Art. Alles deutet darauf hin, dass sie einfach aus dem Fenster geklettert und weggelaufen ist.»
«Ganz allein?», frage ich.
«Wahrscheinlich. Übrigens habe ich heute herausgefunden, dass Laura die Angewohnheit hatte, nachts lange Spaziergänge zu unternehmen. Aber am nächsten Morgen war sie stets wieder da.»
«Wissen sie, wohin sie gegangen ist?» Ich bin kurz davor, in Panik auszubrechen. In meinem Getränk schwimmt eine Mücke.
«Nein. Ihre Eltern haben das merkwürdigerweise auf sich beruhen lassen und nicht mit ihr darüber geredet. Aber es wirft natürlich ganz neue Fragen auf. Man vermutet jetzt, dass sie sich vielleicht mit jemandem am Fluss getroffen hat.»
Ich schlucke schwer.
«Wissen sie, mit wem?»
Meine Mutter unterbricht uns.
«Wes, ich glaube nicht, dass wir darüber sprechen sollten. Nicht in Gegenwart von Charlie. Ich finde, das reicht.»
«Warum nicht?», widerspreche ich laut.
Mein Vater hebt beschwichtigend die Hand.
«Deine Mutter hat recht.»
«Aber warum?
Warum
hat sie recht? Das ergibt doch keinen
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