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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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Leerlauf vor sich hin. Schließlich steigt meine Mutter aus. Sie lacht. Ein merkwürdiger Anblick. Sie muss ziemlich betrunken sein. Sie beugt sich wieder ins Wageninnere, als würde sie nach etwas suchen. Dann wirft sie die Tür zu, winkt und tritt langsam zurück. Ihr Lächeln verschwindet mit dem Wagen. Als sie sich umdreht, um ins Haus zu gehen, ist ihr Gesicht so leer wie vorher.
    Zurück in meinem Zimmer werden mir die Augenlider schwer, und ich fühle mich wie erschlagen. Trotz der Insekten, der Hitze und des brennenden Wunsches, auf Jasper zu warten, nicke ich mit dem aufgeklappten Mark Twain auf der Brust ein. Und ich wehre mich nicht. Ich lasse einfach los. Ich stehe wieder mit Eliza Wishart im gesprenkelten Schatten der Myrten, habe genau die richtigen Worte auf den Lippen und sage all das, was ich hätte sagen sollen, tue all das, was ich hätte tun sollen.

[zur Inhaltsübersicht]
    4
    Ich erzähle Jeffrey, dass ich einen Albtraum hatte, der vom
Zauberer von Oz
handelte.
    Was ich ihm nicht erzähle, ist, dass ich knallrote Schuhe anhatte wie Dorothy und dass meine Mutter die grüne Hexe auf Jaspers Lichtung war.
    «
Der Zauberer von Oz
?», sagt Jeffrey und verzieht das Gesicht. «Ehrlich? Dabei gibt so viel Besseres, von dem man schlecht träumen kann. Haie zum Beispiel. Kommunistische Haie mit rasiermesserscharfen Finnen, die laufen können.»
    Es ist Mittagspause beim Testmatch. Wir zerren eine Holzkiste mitten auf die Straße, um sie als provisorische Stumps zu benutzen. Jeffrey ist der Schlagmann.
    «Obwohl», sagt er nachdenklich, «es funktionieren könnte. Denk mal darüber nach. Synoptisch, meine ich.»
    «Worüber soll ich nachdenken?»
    «Den
Zauberer von Oz
, Blödmann. Also, hör zu. Ein junges Mädchen gerät an einen merkwürdigen Ort, wo sie feststellt, dass sie jemanden umgebracht hat. Nachdem sie die Leiche ausgeraubt und sich drei Freunde besorgt hat, reist sie in eine andere Stadt, wo sie ihren zweiten Mord begeht und wieder stiehlt. Dann flieht sie. Es hängt alles davon ab, wie man die Sache darstellt, Charlie. Man kann sich auf nichts verlassen.»
    «Es geht also gar nicht nur um singende Zwerge?», werfe ich ein.
    «Nein, um Mord, Chuck.
Morrrrrd!
»
    «Kein Wunder, dass ich nachts nicht schlafen kann.»
    «Oh!», sagt Jeffrey, schnellt in die Höhe und beugt sich dann vor. «Was ist mit Elizas Schwester? Wie heißt sie noch mal? Laura. Sie ist verschwunden. Das hast du gehört, nicht? Was, glaubst du, ist passiert?»
    «Woher soll ich das wissen», fauche ich.
    Jeffrey weicht ein wenig zurück.
    «Reg dich ab, du Spinner. Es gibt so was wie Spekulation. Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass du irgendwas
weißt
. Es sei denn, du warst es, der sie entführt hat. Warst du es, Chuck?»
    Ich kneife die Augen zusammen und atme tief durch.
    «Ja, das war ich, du Idiot.»
    «
Du
bist ein Idiot. Dir glaube ich sowieso kein Wort. Du hättest jedenfalls Eliza entführt und nicht Laura. Damit du sie für ein Tuttelstündchen in deine Räuberhöhle abschleppen kannst. Weil du sie nämlich
liebst

    «Ein Tuttelstündchen?»
    «Ja, ein Tuttelstündchen, Chuck.»
    «Was soll das denn sein?»
    «Na, du weißt schon.» Jeffrey zwinkert mir mit offenem Mund zu. Ich muss mich schwer beherrschen, um ihn nicht windelweich zu prügeln.
    Ich beschließe, das Thema zu wechseln. «Was war gestern beim Cricket los?»
    «Nichts, ich hab nichts verpasst. Es ist alles wegen Regen ausgefallen. Glück gehabt.»
    «Du hast Glück, dass du keinen Hausarrest mehr hast. Wie hast du das geschafft?»
    «Ach, ich glaube, Ma will mich einfach los sein.» Jeffrey zuckt die Achseln und fährt sich mit einer merkwürdigen Schulterbewegung über die Wange.
    «Das kann ich ihr nicht verdenken. Ich würde dich zwingen, draußen in einem Zelt zu kampieren.»
    «Pfff!»
Jeffrey hebt den Kopf und klopft sich mit dem Schläger gegen den Fuß. Ich werfe ihm etwa eine halbe Stunde lang Bälle zu. Wie gewöhnlich drischt er sie in alle Richtungen, ohne sich auch nur im Geringsten anstrengen zu müssen.
    Es ist heiß und unheimlich ruhig auf der Straße. Sie ist so leer. Offensichtlich ist die merkwürdige Ausgehsperre immer noch in Kraft, und die meisten Kinder müssen im Haus bleiben. Es fühlt sich an, als wären wir bei irgendetwas zurückgelassen worden.
    Ich schicke Jeffrey einen Off Cutter mit einer ziemlich guten Linie und Länge, der schön zur Seite wegspringt. Jeffrey, der jetzt dick auftrumpft, geht in die Knie und

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