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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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spüre ich Jaspers Hand auf meinem Rücken.
    «Alles klar, Charlie?»
    «Nein. Ich glaube, ich sterbe», spotze ich.
    «Fast», sagt Jasper, «aber nicht ganz. Hier, spül das runter.»
    Er hält mir einen Krug Wasser hin. Ich schüttele den Kopf.
    «Ich kann nicht. Ich kann nichts mehr trinken», sage ich.
    «Du musst, Kumpel. Dann wird es besser. Komm schon, nur einen kleinen Schluck.»
    Obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, packe ich den Krug und trinke schlürfend. Ich will mich aufrichten, die Schultern straffen und Haltung annehmen, doch ich habe kein Gleichgewicht mehr. Ich bleibe in der Hocke und versuche tief durchzuatmen.
    Dann wird mir klar, dass das Wasser, das ich eben getrunken habe, wahrscheinlich aus dem Tümpel kommt, auf dessen Grund sich, blass und weich, Laura Wishart befindet. Ich kann nicht anders, als mir vorzustellen, wie sie engelsgleich hin und her schwingt und ihr seidiges, schlangenartiges Haar sich langsam verheddert. Gleichzeitig kommt mir der Gedanke, dass ich soeben seltsame Flocken und Flecken ihrer Haut getrunken habe, winzige Teile ihres Körpers. Ich würge das Wasser wieder heraus und ächze dabei wie ein Tier.
    Ich habe weiche Knie, aber Jasper stützt mich. Er führt mich zu unserem Platz zurück, hilft mir, mich hinzusetzen, und stellt den Krug neben mich. Mein Atem geht keuchend, und mein Magen tut weh, doch ich muss mich nicht mehr übergeben. Das Drehen hat nachgelassen, und mir ist nicht mehr so schwindelig. Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, innerlich verprügelt worden zu sein. Ich fühle mich schwach und verlegen.
    Ich ziehe die Knie an den Körper. Wir hocken noch eine Weile herum und unterhalten uns, wobei ich vor allem damit beschäftigt bin, zuzuhören und brummend Zustimmung zu bekunden. Jasper zerbricht kleine Zweige in den Händen, und ich konzentriere mich darauf, die Welt davon abzuhalten, sich wie ein Glücksrad zu drehen. Es gelingt mir immer besser, aber meine Zunge fühlt sich nach wie vor an wie eine tote Nacktschnecke und mein Magen wie ein ausgewrungener Schwamm.
    Erst als sich Jasper von dem Platz erhebt, auf dem er die ganze Nacht gesessen hat, und ich stirnrunzelnd den Kopf schräg lege, sehe ich es. Dort. Ganz unten. Am Baumstamm. Er hat die ganze Zeit über mit dem Rücken davorgesessen und es komplett verdeckt. Ich halte die Luft an, misstraue mir selbst. Zweifle an meinen eigenen Augen. Ich vergewissere mich, dass es keine whiskeybedingte Erscheinung ist und dass ich es dort vor heute Nacht noch nie gesehen habe.
    Nein. Nein, das wäre mir aufgefallen.
    Was natürlich bedeutet, dass es jemand vor kurzem dort hingemacht haben muss. Mein Brustkorb ist wie zugeschnürt.
    «Jasper?», sage ich zögernd. Er kommt aus der Aushöhlung auf der anderen Seite des Baums.
    «Was?»
    Ich strecke die Hand aus und zeige es ihm, und es ist klar, dass es nicht von ihm stammt, dass es nicht sein Werk und nicht
seinen
Schuldgefühlen entsprungen ist. Hastig geht er darauf zu. Kniet sich hin. Berührt es. Fährt mit den Fingern darüber. Ich geselle mich zu ihm, und wir betrachten es eingehend.
    Keiner von uns sagt etwas, wir schauen es einfach nur an. Ein einziges Wort. Direkt vor uns in den Baum geritzt.
    Verzeihung.

    Wir reden kaum miteinander, als wir zurücktrotten. Ich vermute, dass es in Jaspers Kopf ebenso drunter und drüber geht wie in meinem. Ich frage mich, was er empfindet.
    Mit schweren, unwilligen Beinen stolpere ich hinter ihm her. Mein Magen ist immer noch angegriffen und empfindlich. Ich bin müde, und mir ist schlecht, dennoch geht mir dieses Wort nicht aus dem Sinn.
    Verzeihung.
    Jasper hat sich nicht getäuscht. Es ist tatsächlich jemand da gewesen. Vielleicht sogar heute Nacht. Jemand hat sich durch den Busch gekämpft und ist auf die Lichtung vorgedrungen. Jemand anderes weiß von diesem Ort.
    Doch nicht nur das. Jemand anderes hat mehr oder weniger gestanden.
Verzeihung:
ein in den Baum geritztes Schuldeingeständnis, in seinen Rumpf graviert wie eine Tätowierung. Ein Wort von solchem Gewicht. Ein Wort, das sich nicht mehr zurücknehmen lässt.
    Ich denke darüber nach,
wie
es geschrieben wurde. Welchen Charakter und welchen Zweck hatte es? Um den Suchtrupps zu trotzen und das Risiko einzugehen, bei der Arbeit erwischt zu werden, muss ein starker Antrieb dahinterstecken. War es Reue? Bedauern? Wut? Und für wen war diese Entschuldigung gedacht? Für Laura Wishart? Ihre Familie? Jasper Jones? Gott?
    Eines ist klar: Er ist hier.

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