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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Silvey
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Du staunst über meinen sensationellen Sachverstand. Ich sehe nicht nur
phantastisch
aus, ich bin auch in allen spielerischen Belangen unschlagbar talentiert.»
    «Ha! Das ist so ziemlich das glatte Gegenteil dessen, was ich gerade gedacht habe.»
    «Dann denkst du also über dich selber nach?»
    Mir fällt keine Retourkutsche ein. Der kleine Scheißer hat mich kalt erwischt. Er lacht.
    Einige weitere Overs verstreichen, ohne dass viel passiert. Jeffrey hat den zunehmend frustrierten Schlagmann Klammeraffen getauft, weil dieser einfach nicht aufhören kann, den Schläger durch die Gegend zu schwingen. Er versucht es mit wilden Ausholbewegungen, um den Ball über das Innenfeld zu dreschen, aber er kriegt keine Runs zustande.
    «Der macht’s nicht mehr lange, Chuck», sagt Jeffrey.
    Und er hat recht. Beim nächsten Ball hält die Menge den Atem an. Genau wie Jeffrey es vorhergesagt hat, trifft der Schlagmann den Ball mit einem weiteren wilden Schwinger viel zu weit oben, und der Ball fliegt hoch in die Luft. Jeffrey setzt ihm nach, und ich begreife, dass es seine Chance ist. Er kann den Ball erreichen. Er ist schnell genug. Seine kleinen Beine arbeiten wie Kolben, als er ihm entgegenfliegt. Alle Augen sind auf Jeffrey gerichtet. In diesem Moment steht die Welt still. Es wäre der beste Catch aller Zeiten. Mir klopft das Herz bis zum Hals. Ich weiß nicht, ob Jeffrey es schafft. Der Ball beschreibt einen Bogen und senkt sich herab. Mein Kopf geht hoch und wieder runter. Er wird auf jeden Fall im Feld landen. Jeffrey Lu schießt mit einen Hechtsprung auf den Ball zu, er macht sich ganz lang und greift danach. Hat er ihn? Ich springe auf. Ja!
Nein!
Der Ball rutscht ihm bei der Landung aus der Hand und rollt über die Linie. Das sind vier Runs. Dabei hatte er ihn schon.
Er hatte ihn wirklich!
Ich kann die Enttäuschung der Menge von hier aus hören. Jeffrey bleibt nicht lange liegen. Er springt dem Ball nach und wirft ihn zurück, direkt über die Querstäbe des Wickets.
    Warwick Trent beim First Slip schäumt vor Wut. Dieses sture Arschloch erster Güte reißt sich die Kappe vom Kopf, wirft sie zu Boden und tritt sie weg.
    «Leck mich am Arsch, Cong!», brüllt er Jeffrey zu, der mit einem Grasfleck unter dem Knie zu mir zurückgetrottet kommt. «Du bist zu nichts zu gebrauchen. Ich hab dir doch gesagt, dass du auf der Fine bleiben sollst. Jetzt rühr dich nicht vom Fleck, verdammt noch mal!»
    Er brüllt und gestikuliert, als wäre Jeffrey ein ungehorsamer Hund. Dann dreht er sich mit verschränkten Armen weg und schüttelt den Kopf.
    «Pech gehabt», sage ich behutsam.
    «Ja. Verdammt!» Jeffrey verzieht das Gesicht, als er zu mir zurückgetrottet kommt. Er schlägt sich die Faust in die Handfläche. «Ich hatte ihn, Chuck. Er ist mir bloß aus der Hand gesprungen.»
    «Das wäre was gewesen.» Ich versuche zu lächeln, doch ich leide viel zu sehr mit ihm.
    «Ich weiß. Ich war so dicht dran. Ich hatte ihn schon.» Jeffrey hebt die Hand, als hätte sie ihn betrogen. «Dieser Trent muss krankhaft zurückgeblieben sein, wenn er glaubt, er hätte mich zur Fine geschickt. Genau das Gegenteil hat er gemacht, der aufgeblasene Affe. Ich bin von selbst zur Fine aufgerückt, weil ich wusste, was passiert. Wenn ich dort gestanden hätte, wo er mich hingeschickt hat, hätte ich den Ball nie in die Finger bekommen.» Jeffrey lässt die Schultern hängen.
    «Ich würde sagen, der Typ ist nicht nur krankhaft zurückgeblieben», sage ich laut grübelnd vor mich hin, «sondern offiziell hirntot. Oder komplett gehirnamputiert. Du weißt doch, dass Küchenschaben ohne Kopf noch eine Weile leben können? Ich glaube, bei ihm ist das ganz ähnlich.»
    «Hühner können das auch.»
    «Stimmt. Hühner auch.»
    «Im Dorf meiner Mutter gab es mal ein Huhn, das ein ganzes Jahr lang weitergelebt hat, nachdem sie ihm mit der Axt den Kopf abgehackt hatten. Habe ich dir das mal erzählt?»
    «Schwachsinn», sage ich.
    «Willst du behaupten, dass meine Ma lügt?»
    «Nein, ich behaupte, dass
du
lügst. Dir kann man nicht trauen. Wie geht es ihr eigentlich?», frage ich nach einer Pause.
    «Na ja, ganz gut. Du hättest die Blase an ihrem Hals sehen sollen, als sie aufgeplatzt ist. Das war ekelhaft, Chuck. Ganz rosa und nass. Aber jetzt ist sie in Ordnung. Allerdings hat Dad es im Augenblick nicht leicht. Er ist ganz in sich gekehrt und komisch. Noch mehr als sonst.»
    «Wirklich? Wegen dem Krieg und so?»
    «Nein, das ist es nicht. Ich glaube, sie

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