Wer hat Angst vorm bösen Mann?
sodass sie nichts mehr haben, zu dem sie zurückkehren können.
Schicke sie für einen angeblich guten Zweck betteln, ziehe aber das ganze Geld selbst ein.
Organisiere eine Hierarchie nach dem Schneeballsystem – ähnlich dem Verkauf von Tupperware-Plastikdosen. Ganz unten stehen die Novizen, die für die Kurse zahlen. In der zweiten Ebene gibt es Dozenten, die selbst Einführungskurse durchführen und einen Teil des Geldes behalten dürfen. Bevor sie überhaupt Dozenten werden können, müssen sie aber ihrerseits schon sehr viel Geld für Ausbildungsseminare ausgegeben haben – einen Nettogewinn erzielen sie nur, wenn sie in das nächste Level vorstoßen. Allein die Minister auf der obersten Ebene werden richtig reich, und am meisten bekommst du natürlich selbst.
Schicke deine Anhänger in die Fußgängerzonen, um mit überquellender Herzlichkeit, freundlichem Zahnpastareklamelächeln, aufgedrehter Heiterkeit und leuchtenden Augen neue Mitglieder zu werben – denn deren Mitgliedsbeiträge zu ergattern ist der Hauptzweck deiner Sekte.
Dränge sie, sich von ihren Eltern loszusagen.
Gib ihnen neue, indisch klingende Namen, damit sie von ihren Eltern und den Behörden nicht gefunden werden können.
Gründe ein Lager, in dem sie von morgens bis abends schuften müssen, ohne dass irgendeiner Steuern oder Versicherungsbeiträge zahlt.
Lasse sie höchstens fünf Stunden schlafen, gib ihnen keine Freizeit, beschränke ihr Leben auf
ora et labora
(Beten und Arbeiten).
Halte ihnen in der restlichen Zeit über Lautsprecher stundenlange Vorträge über deine Theorie mit sich ständig wiederholenden hohlen Floskeln.
Schreibe mehrere Bücher mit praktisch identischem Inhalt, die sie auswendig lernen müssen. Knöpfe ihnen ordentlich Geld dafür ab. Verbiete alle anderen Bücher.
Beriesele sie ständig mit monotoner Musik; lasse sie immer wieder die gleichen Melodien singen oder Mantras murmeln.
Lasse sie sich gegenseitig bespitzeln und auf den rechten Glauben prüfen.
Mache allen Angst, die deiner Theorie nicht folgen wollen, und drohe ihnen mit Ausschluss aus der Gemeinschaft.
Verordne ihnen spartanisches Leben, fahre aber selbst öffentlich mit einem Rolls-Royce herum.
Verbiete ihnen Sex, aber schlafe mit allen schönen Mädchen unter deinen Anhängerinnen.
Verbiete ihnen eigene Gedanken – sie haben ja deine.
Bemerkenswert ist die Stereotypie, in der die Gurus, Heiler, Hobby-Messiasse, Heilande, Schamanen und sonstige Seelenretter der Geschichte die hier aufgestellten Regeln zu beachten versuchten. In den letzten Jahrzehnten machten Organisationen wie die Vereinigungskirche des Koreaners San Myung Mun, die Kinder Gottes, die Transzendentale Meditation, die Sannyasin-Bewegung des Gurus Bhagwan, Scientology, Ananda-Narga, die Hare-Krishna-Bewegung, der Guru Maharaj Ji und viele andere auf sich aufmerksam. Sie können weltweit auf Millionen Anhänger zählen.
Alle Gurus haben eines gemeinsam: Sie konstruieren einfache Verhaltensregeln und Weisheiten, die nicht wirklich neue Erkenntnisse darstellen, und kleiden sie in blumige, aber nichtssagende Worte. Im günstigsten Fall verkaufen sie ihren verblendeten Anhängern die Zehn Gebote für 1000 Dollar pro Stück. Mehreren dieser Organisationen ist gemeinsam, dass sie mit dem Geld ihrer Anhänger und ausgeprägtem Geschäftssinn Großkonzerne errichtet haben. In weniger ersprießlichen Fällen bauen sie aber Feindbilder auf, die sich zum Beispiel gegen Juden, Muslime, Homosexuelle oder Psychiater richten. Es gibt zahlreiche Beispiele für groteske Auswüchse auf dem Sektenmarkt.
Der Inder Chandra Mohan Jain ( 1931 – 1990 ), Bhagwan («Der Gesegnete») oder auch Osho genannt, predigte das einfache Leben. Sein Ziel war es, das Ich seiner Anhänger zu zerstören. «Nur fünf Prozent der Menschen sind intelligent», verkündigte der Bhagwan, der gelegentlich zu sarkastischen Witzen neigte, «die restlichen 95 Prozent sind unsere Anhänger.» In einem
Spiegel
-Interview zu Hitler befragt, sagte er: «Ich liebe diesen Mann … Er war so moralisch wie Mahatma Gandhi … Er war ein Heiliger.» Die katholische Missionarin und Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa dagegen bezeichnete er als «kriminell und idiotisch». [174]
Ein weiterer Wahlspruch des Bhagwans war: «Über Sex zum kosmischen Bewusstsein.» Die siebziger Jahre waren die Zeit der freien Liebe; viele Frauen nahmen die Pille, und es gab kein Aids. Der Ashram in Poona war «ein Vergnügungspark und
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