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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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unmittelbar unter dem Brauenbogen in die Augenhöhle eingedrungen und dann tiefer in den Kopf gewandert.«
    »Es ist sehr schnell gegangen, nicht wahr?«
    »Woher soll ich das wissen«, sagte Snorrason in einem plötzlichen Versuch, den Übellaunigen zu spielen. »Aber sie weist keine äußeren Zeichen eines Kampfes auf. Ihre Kleider zum Beispiel sind unversehrt, und wie du sicher noch weißt, trug sie sogar ihre Holzschuhe, als sie gefunden wurde. Also hast du wohl recht. Und das wundert mich. Da sie mit ihrem eigenen Werkzeug getötet worden ist, war dieser Mord wohl kaum geplant. Der Mörder hat zum erstbesten Gegenstand gegriffen, in einem Zustand der Panik. In heftigem Zorn oder schrecklicher Angst oder in einer Mischung aus beidem. Statistisch gesehen«, teilte er mit, »ist das ein seltener Mord. Und einwandfrei ein Mord im Affekt. Ihr habt doch etliche Fingerabdrücke gefunden, oder nicht?«
    »Doch«, sagte Sejer. »Im Haus. Und zwei unbedeutende an der Hacke. Zu unserem Glück hat sie allein gelebt. Nur wenige Menschen können im Haus gewesen sein und Sachen angefaßt haben. Die Zeit arbeitet für uns«, fügte er hinzu.
    »Hast du genug?«
    »Ja, danke.«
    Snorrason bedeckte die Tote wieder mit dem Laken und schloß die Schublade. »Du hörst von mir.«
    Sejer fuhr zurück zur Wache. Registrierte, wie der Gedanke an Sara Struel sich einschlich und das zerstörte Gesicht verdrängte, das er eben noch betrachtet hatte. Ihre glatte Haut mit dem hellen Flaum. Die dunklen Augen mit den hellen Ringen um die
    Pupillen.
    Diese vielen Jahre Einsamkeit. Aber ich wollte ja allein sein, dachte er, warum will ich das jetzt nicht mehr?
    Und dann kam ihm Elsi Johrma wieder in den Sinn. Warum war sie überhaupt auf der Treppe gestolpert? Es mußte da einen Zusammenhang geben, etwas hatte sie zu Fall gebracht. Sie war die Treppe in ihrem eigenen Haus hinabgestürzt, eine Treppe, die sie gut gekannt haben mußte, die sie zahllose Male hinauf-und hinuntergegangen war. Vielleicht hatte sie es eilig gehabt, vielleicht waren die Stufen naß gewesen. Es mußte einen Grund geben, so, wie es auch einen Grund dafür gab, daß ihre Verletzungen zum Tod geführt hatten, wo der Sturz doch ebensogut, das glaubte Sejer zumindest, mit einer Gehirnerschütterung und einem gebrochenen Handgelenk hätte enden können. Wenn ich alt werde, dachte er plötzlich, werde ich mir alle ungeklärten Fälle der Wache vornehmen. Ich werde ohne Zeitdruck daran arbeiten, ohne Gequengel von seiten der Presse oder von Holthemann, allein nach meinen Prämissen. Ich werde aus meiner Arbeit ein Hobby machen. Während Kollberg mir die Füße wärmt. Während ich Pension beziehe. Während ich Whisky trinke und eine Selbstgedrehte rauche. Ach, wird das schön.
    Es WAR WIE IN DER BIBEL, bei der Stelle, wo das Meer sich teilt. Die vielen geschäftigen Menschen in Weiß wichen zur Seite, als sie Skarre in der offenen Tür stehen sahen. Er schaute in die riesige brodelnde Küche in die Richtung, in die der Koch gezeigt hatte. Da drüben, der neben der Spülmaschine. Das ist Kristoffer Mai.
    Skarre sah ihn nur von hinten. Einen breiten Rücken, einen kurzen Nacken und struppige rote Haare. Kristoffer Mai war der einzige im ganzen Raum, der den Fremden nicht bemerkt hatte; er hob gerade einen Korb mit vierzig dampfenden Rotweingläsern aus der Spülmaschine. Die Stille, die sich über die Küche gesenkt hatte, registrierte er, noch ehe er den Korb abgestellt hatte. Noch ehe er das Tablett abgestellt hatte. Danach drehte er sich um und starrte Skarre an.
    »Kristoffer Mai?«
    Der junge Mann nickte. Er schien fieberhaft zu überlegen, nach einer Erklärung für diesen ernst dreinblickenden Besucher zu suchen. Und dann wußte er es. Tante Halldis natürlich. Er faßte sich und nickte kurz, während er sich die Hände abtrocknete und die Spülmaschine zuklappte. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn.
    »Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«
    »Im Pausenraum«, antwortete Mai und ging auf die Tür zu. Mit gesenktem Blick, er hatte das Gefühl, daß alle ihn ansahen, und da sie ihn bisher immer ignoriert hatten, wußte er nicht, wie er sich in dieser ungewohnten Situation verhalten sollte.
    Der Pausenraum war lang und schmal, sie setzten sich mit dem Rücken zur Tür in eine Ecke. Skarre blickte in das junge Gesicht und wurde von plötzlicher Wehmut ergriffen. Wie viele Menschen werden mir noch begegnen, dachte er, die ich nur aus einem Grund aufsuche, nämlich,

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