Wer hat Angst vorm boesen Wolf
zu denken, wie enttäuscht Errki sein würde, wenn es nicht klappte. Morgan fragte sich, wie er ihn dann trösten sollte. Vielleicht den Whisky verantwortlich machen, sagen, daß der ihm seine Kraft geraubt habe.
Dann zersprang das Glas. Es klirrte nicht so hell, wie Morgan es sich aus Jux vorgestellt hatte, es zersprang mit einem Knall, und kleine Scherben wurden ins Zimmer geschleudert. Morgan fuhr zusammen und hatte das Gefühl, daß sein Herz vor Schreck aussetzte. Errki saß noch immer auf dem Boden. Nun hob er den Kopf und schaute sich um. Er sah schläfrig aus. Zuerst. Aber dann stutzte er. »Hier stimmt etwas nicht«, sagte er und lief auf die Tür zu.
»Hier stimmt etwas nicht? Wie zum Teufel hast du das geschafft?«
Morgan sah aus, als habe er den Verstand verloren. »Wo willst du hin?«
»Raus«, antwortete Errki. »Etwas überprüfen.«
KANNICK LIESS DEN BOGEN SINKEN. Er stand etwa zehn
Meter entfernt und starrte das leere Fenster an. Sein Treffer war keine große Leistung, aber es war doch eine Herausforderung gewesen, auf das durchsichtige, funkelnde Glas zu schießen, und es hörte sich so schön an, wenn der Pfeil das Glas zerschlug. In Gedanken hatte er soeben General Cooks Augapfel perforiert. Er ging weiter und starrte das Haus an, das leer und verlassen war und in der Nachmittagssonne zusammengesunken zu sein schien. Er wußte, daß er den Pfeil im Haus wiederfinden würde, er würde dort in einer Wand stecken. Er schaute sich nach einem anderen Ziel um, denn er hatte noch einen Pfeil im Köcher. Und es wurde schon spät. Der Ärger, der ihn zu Hause in Guttebakken erwartete, war ihm egal. Er wußte genau, was passieren würde, und das hatte er schon so oft erlebt, daß es ihm keine Angst mehr machte. Es war ganz einfach gottserbärmlich vorhersagbar. Die Erwachsenen hatten nicht viel Phantasie. Vielleicht überlegte Margunn sich ein anderes Versteck für den Schlüssel. Viel mehr würde wohl kaum passieren. Sie würde sich sogar darüber freuen, daß er die Pfeile gefunden hatte, sie wußte doch, wie hart ihr Verlust für ihn gewesen wäre. Und das neue Versteck würde er finden. Mehr war dazu nicht zu sagen. Er starrte das alte Haus an, die dunklen Holzwände, die flache Steintreppe vor der Tür und die leeren Fenster. Er war mehrere Male dort drinnen gewesen. Hatte alle Schränke untersucht, hatte sogar auf einem alten Sofa im Wohnzimmer geschlafen. Er betrachtete die Tür. Das Holz wies mehrere dunkle Flecken auf, einen suchte er sich als Zielscheibe aus.
Er war Häuptling Geronimo. Die Tür war ein mexikanischer Soldat, der dunkle Fleck dessen Herz. Der Feind. Der Frauen und Kinder von Geronimos Volk vergewaltigte und ermordete. Er haßte diesen Feind aus der Tiefe seiner Häuptlingsseele.
Diesmal wollte er auf Knien schießen, wie der Häuptling es immer gemacht hatte. Das war eine größere Herausforderung. Er ließ sich auf ein Knie sinken und zog den letzten Pfeil aus dem Köcher. Dieser Pfeil hatte zwei gelbe Federfahnen und eine rote
Lenkfeder. Er legte ihn an die Sehne und hob den Kopf. Über die Kimme sah er, daß der Bogen einen rechten Winkel zur Zielscheibe bildete. Er sah die dunklen Flecken und suchte sich einen aus, der ungefähr in der Mitte der Tür saß. Dann spannte er die Sehne. Spürte, wie die Ankerplatte unter sein Kinn glitt und wie sich die Sehne über seine Nasenspitze legte.
The Apaches will always be.
Nur eine kleine Justierung, und er hatte den Fleck voll im Visier.
Vage registrierte er, daß etwas vorging. Die Tür wurde geöffnet, und eine schwarze Gestalt erschien in der Öffnung. Aber Kannicks Gehirn hatte den Befehl schon erteilt, sein Griff lockerte sich, er wollte den Bogen sinken lassen, konnte den Pfeil aber nicht mehr aufhalten. Mit einer Geschwindigkeit von über hundert Metern pro Sekunde jagte er über den Hof.
Es war nichts zu hören, als der Pfeil traf. Errki stand verwundert auf der Treppe und zuckte nur ganz leicht zusammen. Kannick sah die gelben Federn aus der schwarzen Hose hervorragen. Errki schien überrascht, sagte aber kein Wort. Zögernd hob er eine Hand, um den Pfeil aus seinem Bein zu ziehen. Und dabei entdeckte er Kannick. Den fetten Jungen.
Er erkannte die zerfetzte Hose und den wuchtigen Leib. Jetzt wußte er, was in dem Koffer gewesen war, den der andere krampfhaft festgehalten hatte, als er mit wahnwitzigem Blick den Weg hinunterrannte. Ein Bogen. Jetzt leuchtete er in der Sonne rot auf, und der soeben davon
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