Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
kam hereingestürmt und rannte zu ihr. „Pia.“ Er beugte sich über sie, nahm ihre Hand und küsste Pia auf die Stirn. „Geht es dir gut?“
Seine Sorge ließ sie wieder in Tränen ausbrechen. Aber statt sich von ihr zurückzuziehen, nahm Raoul sie einfach wortlos in die Arme.
Sie weinte und weinte, bis sie sich ganz leer fühlte. Bis sie merkte, dass es alles nichts nützte.
„Ich habe eins der Babys verloren“, sagte sie heiser.
„Ich weiß.“ Er strich ihr das Haar zurück. „Es ist okay.“
„Ist es nicht. Es ist nicht okay. Es ist meine Schuld.“ Wiederschossen ihr Tränen in die Augen. Mit beiden Händen umklammerte sie Raouls Hand und schaute ihm in die Augen. „Es hat an mir gelegen. Ich habe das heraufbeschworen. Sie waren nicht real für mich. Ich wollte dir das nicht erzählen, aber sie waren für mich einfach nicht da. Ich wusste zwar, dass ich schwanger bin, aber ich konnte es nicht fühlen. Ich besitze keinerlei mütterliche Instinkte. Das wusste das Baby bestimmt. Es wusste es, und jetzt ist es gestorben.“
„Pia, nein. So ist es mit Sicherheit nicht.“
„Doch. Ich bin schuld. Ich war gestern mit Charity unterwegs. Sie wollte sich Umstandskleidung ansehen, aber mich hat das völlig kaltgelassen. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie dick ich noch werde oder was mit meinem Körper noch alles passiert. Dann bin ich bei den Kindermöbeln ausgeflippt. Ich wusste nicht einmal, wie viele Windeln ein Baby in der Woche braucht.“
Die Tränen flossen wieder und rannen ihr über die Wangen. „Crystal hat mir vertraut. Sie hat mir vertraut, und jetzt ist eins ihrer Babys tot, und ich kann nichts dagegen tun. Ich kann es nicht wieder rückgängig machen. Ich habe sie so gerngehabt, und sie hat an mich geglaubt … und jetzt … schau dir an, was ich gemacht habe.“
Raoul schüttelte den Kopf. Er sah aus, als würde er sich total unbehaglich und hilflos fühlen. „Manchmal schaffen es Babys einfach nicht.“
Pia hob das Kopfteil ihres Bettes ein wenig an, damit sie ihn besser sehen konnte. „Es gibt da noch etwas. Es liegt an mir.“ Sie schluckte und wusste, dass sie ihm die Wahrheit sagen musste, auch wenn es bedeutete, dass er sie für immer verlassen würde.
Vielleicht ist es so am besten, dachte sie und fühlte sich ganz elend. Wenn die Babys dann geboren waren, könnte er den Jugendschutz schicken, damit man sie ihr wegnahm und sie ihnen nicht noch weiteren Schaden zufügen konnte.
„Ich war schon einmal schwanger – auf dem College.“Raoul wollte nichts weiter hören. Er wusste, wie die Geschichte weiterging, wusste, was Pia sagen wollte. Wütend zog er seine Hand weg.
Pia redete weiter. Er zwang sich dazu, ihr zuzuhören, so zu tun, als würde er nicht über sie urteilen.
„Ich wusste, er würde mich nicht heiraten, und ich fing an …“ Sie rang wieder nach Atem. „Ich fing an, mir zu wünschen, das Baby würde verschwinden. Das habe ich immer wieder gedacht. Wie viel einfacher und besser es wäre, wenn es einfach nicht mehr da wäre.“
Sie schloss die Augen. Noch immer flossen die Tränen, doch sie konnten ihn jetzt nicht mehr rühren.
„Dann war es nicht mehr da“, flüsterte sie.
„Es ist nicht einfach verschwunden“, erklärte er hart. „Du hast etwas getan.“
Sie nickte. „Ich weiß. Das Baby wusste oder fühlte es, und dann war es weg. Dr. Galloway hat gesagt, ich wäre nicht dafür verantwortlich. Dass nicht jedes Baby voll lebensfähig ist, und wenn es so ist, dass sich dann die Natur selbst hilft. Das ist die medizinische Erklärung. Das Baby war nicht gesund. Aber es lag nicht am Baby, sondern an mir.“
Raoul starrte sie verwirrt an. „Du hast keine Abtreibung machen lassen?“
„Was?“ Sie riss die Augen auf. „Nein. Natürlich nicht. Ich hatte mir überlegt, das Baby vielleicht zur Adoption freizugeben. Ich hatte mir sogar schon ein paar Broschüren besorgt. Aber dann war es einfach nicht mehr da. So wie heute. Daran musste ich die ganze Zeit denken. Dass ich dafür bestraft werde, weil ich mein erstes Kind nicht haben wollte. Also bekomme ich diese Kinder auch nicht.“
Seine Wut und das Gefühl des Verrats schwanden, so als hätte es sie nie gegeben. Stattdessen verspürte er einen Anflug von Scham – weil er das Schlimmste von Pia angenommen hatte. Sie war nicht wie Caro. Das hatte er doch schon gewusst.
Er zog Pia zärtlich und vorsichtig wieder an sich, dankbar,weil sie seinen Rückzug nicht bemerkt hatte.
„Es tut mir so
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