Wer hat Angst vorm starken Mann? - Mallery, S: Wer hat Angst vorm starken Mann?
orientierungslos vor. Sie hatte Angst gehabt, dass Raouls Familie sie vielleicht erst einmal distanziert und von oben herab behandeln würde, doch das war ganz offensichtlich nicht der Fall.
Nicole hakte sich bei ihr ein, als sie hineingingen. „Ich habe gehört, dass ihr nach einem Haus sucht. Das ist toll. Hawk und ich wohnen jetzt schon ewig in unserem Haus. Und sosehr ich meine Kinder auch liebe, muss ich zugeben, dass ich es genieße, mal ein paar Tage weg zu sein.“
„Raoul hat erzählt, dass ihr aus Seattle hergefahren seid.“
„Ja, wir wollen nach Los Angeles.“
„Sozusagen eine Rundtour“, meinte Hawk, der mit Raoul zusammen hereinkam. „Einer meiner ehemaligen Spieler ist beim USC unter Vertrag. Wir wollen uns ein Spiel anschauen, und dann geht’s wieder heimwärts.“
„Ich habe ja vorgeschlagen, dass wir fliegen“, erzählte Nicole. Ihre Stimme klang ein wenig vorwurfsvoll, doch ihre Augen funkelten vergnügt. „Wir hätten in Sacramento zwischenlanden und uns einen Wagen mieten können, um herzukommen. Aber nein …“
Sie löste sich von Pia. Hawk kam zu Nicole und schlang beide Arme um ihre Taille. „Willst du damit sagen, dass du es nicht auch genossen hast, die letzten beiden Nächte mit mir im Hotel zu verbringen?“
„Hawk! Die Kinder.“
Pia verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass sie achtundzwanzig und Raoul ein paar Jahre älter war als sie. In gewisser Weise war es ganz nett, dass jemand, der nur ein wenig älter war als sie, sich um sie sorgte. Es war lange her, seit sie das zuletzt erlebt hatte.
Hawk küsste seine Frau. „Nicole, es fällt mir ja schwer, dich deiner Unschuld zu berauben, aber sie hatten schon Sex. Sie wissen, was das ist.“
Pia hoffte, dass sie nicht rot wurde.
Raoul fing ihren Blick auf und grinste. „Siehst du jetzt, womit ich mich rumplagen muss?“
Lachend setzten sie sich ins Wohnzimmer und unterhielten sich angeregt. Nicole erzählte Raoul von den neuesten Kapriolen ihrer Kinder. Hawk und Raoul redeten natürlich über Football, und Pia hörte hauptsächlich zu. Nach ungefähr einer halben Stunde stand Raoul auf.
„Lasst uns doch einen kleinen Stadtbummel machen. Dann können wir mittagessen gehen.“
„Soll ich fahren?“, fragte Hawk.
Raoul schüttelte den Kopf. „Wir gehen zu Fuß. So viel gibt es nicht zu sehen.“
Als sie durch die Stadt schlenderten, bemerkte Pia, dass Nicole an ihrer Seite blieb, während Hawk und Raoul vor ihnen marschierten. Offenbar wollte Nicole von Frau zu Frau mit ihr reden.
„Warum treffen wir uns nicht in einer Stunde am Restaurant?“, rief Nicole den Männern zu. „Geht und quatscht über Sport. Das habe ich zu Hause häufig genug.“ Sie lächelte Pia an. „Wir können uns auch allein amüsieren, oder?“
Pia zwang sich dazu, das Lächeln zu erwidern, und redete sich ein, dass Nicole wirklich nett zu sein schien. Alles würde prima laufen.
Sie spazierten am Park entlang in Richtung See. Pia deutete auf Morgan’s Buchladen, den Laden mit den köstlichen Karamellbonbons und den Eingang zu ihrem Büro. Ihr fiel auf, dasssehr viel mehr Männer als sonst unterwegs waren, aber darüber wollte sie lieber nicht reden. Wenn sie Nicole berichtete, dass Fool’s Gold unverhofft von Männerhorden heimgesucht wurde, bekam sie womöglich noch Angst.
Sie unterhielten sich über das Wetter, Realityshows im Fernsehen und darüber, dass kurze Hosen hoffentlich nie wieder in Mode kamen.
Nicole zeigte zu einem Starbucks. „Komm. Ich brauche jetzt dringend einen Latte.“
Als sie die Getränke bestellt hatten – einen Latte macchiato für Nicole und einen Kräutertee für Pia –, setzten sie sich an einen Tisch am Fenster. Pia bemühte sich, nicht zu den Männern zu schauen, die sie ganz offen anstarrten.
„Raoul hat erwähnt, dass du all die Festivals hier im Ort organisierst“, sagte Nicole. „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dich mit uns zu treffen.“
„Ich habe mich darauf gefreut, euch kennenzulernen“, erwiderte Pia und redete sich ein, dass es jetzt, nachdem sie die beiden getroffen hatte, keine wirkliche Lüge mehr war. „Ihr seid doch Raouls Familie.“
„Er ist schon seit Langem ein wichtiger Mensch für uns.“ Sie schaute aus dem Fenster und seufzte. „Ich finde es toll hier. Wie schön muss es sein, hier aufzuwachsen.“
„Auf jeden Fall regnet es hier nicht so viel wie in Seattle.“
„Ich glaube, selbst im Regenwald im Amazonasgebiet regnete es nicht so viel wie
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