Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
entschuldigend.
Ich lächelte Jesco zu, um ihm zu signalisieren, dass ich seinen frühen Abgang nachvollziehen konnte und es ihm am liebsten gleichgetan hätte. Auch über Jescos Gesicht huschte ein Lächeln in meine Richtung, was ich als stillschweigendes und seelenverwandtes Einverständnis zwischen uns interpretierte.
»Garantiert will er mich wiedersehen«, triumphierte ich im Stillen und stellte mir in positiver Erwartungshaltung schon vor, wie es sich anfühlen würde, mit ihm zu schlafen.
Zu viert liefen wir durch den weitläufigen Garten auf das Tor zu. Jesco verabschiedete sich von Claire mit Bussis rechts und links, schüttelte Klaus-Dieter die Hand und dankte den beiden.
Da ich fest davon ausging, er würde jetzt auch meine Wangen küssen, und zwar ein bisschen länger als nötig, und mir dabei »Ich ruf dich an« oder Ähnliches ins Ohr hauchen, blinzelte ich ihn wieder charmant an.
Doch weit davon gefehlt, nickte Jesco nur knapp in meine Richtung, sagte tonlos »Ciao, mach’s gut« und verschwand.
Ich tat mein Bestes, um mir meine angekratzte Eitelkeit nicht anmerken zu lassen. Das gelang mir aber nicht, denn Claire sah mich nicht nur mitfühlend an, sondern griff nach meiner Hand und raunte mir tröstend zu:
»Mach dir nichts draus, wir finden schon noch einen anderen für dich …« – womit der Abend endgültig für mich gelau fen war.
Die kommenden Wochen verliefen zäh, weil den Kindern allmählich bewusst wurde, dass unsere Wohnung am Prenzelberg kein spannendes Feriendomizil war, sondern unser neues Zuhause.
Damit sich nicht mit einem Schlag alles für sie änderte, fuhr ich sie zwar weiterhin jeden Tag nach Panama in Zehlendorf – das konnte aber kein Dauerzustand bleiben, weil ich dafür täglich insgesamt zwei Stunden im Auto saß. Für sein erstes Schuljahr meldete ich Lorenz deshalb in der für uns zuständigen Grundschule im Gleimkiez an.
Dank Cosimas Hilfe gelang es mir auch, für die Zwillinge Plätze in der Kita Gleimzwerge zu ergattern, die ihre Töchter besuchten. Eigentlich hätte ich Maya und Fanny dort auf die Warteliste setzen lassen müssen in der vagen Hoffnung, Monate, wenn nicht Jahre später für einen der raren Plätze gelost zu werden. Da Cosima sich jedoch im Elternvorstand der Kita engagierte, wurden mir die Plätze unter der Hand zugeteilt. Das war zwar den Eltern ohne Beziehungen gegenüber nicht fair, doch was sollte ich tun? Aufgrund der hohen Kinderdichte gab es am Prenzelberg nun mal viel zu wenige Kita-Plätze, sodass ich keine andere Wahl hatte, als mir selbst die Nächste zu sein.
Während sich die beiden Mädchen auf ihren Kita-Wechsel nach den Sommerferien freuten – ihrem Alter entsprechend fanden sie Neues grundsätzlich spannend –, wollte Lorenz viel lieber zusammen mit seinen Freunden in Zehlendorf zur Schule gehen. Weil das nicht möglich war, fing er immer wieder an zu weinen und ließ sich auch nicht damit trösten, dass er sich an jedem Vater-Wochenende mit seinen alten Freunden treffen könnte.
Hinzu kam, dass sich alle drei Kinder natürlich wünschten, Mark, ich und sie würden doch wieder als heile Familie zusammenfinden.
Ich konnte noch so viele Bücher über glückliche Scheidungskinder lesen, mir noch so sachkundigen Rat bei Kinderpsychologen holen oder mir die Situation damit schönreden, dass es vielen anderen Kindern auf der Erde weitaus schlechter ging als meinen – den Schmerz konnte ich ihnen nicht nehmen, und das nahm mich mindestens so stark mit wie sie.
Auch beruflich hatte sich immer noch keine Perspektive für mich aufgetan. Da ich auf meine Bewerbungen ausschließlich Absagen erhalten hatte, vereinbarte ich einen Termin bei der Bundesagentur für Arbeit. Dort warf mir die Arbeitsvermittlerin Frau Dombrowski einen mitleidigen Blick zu, als sie erfuhr, dass ich Architektin war.
»Ick kiek mal, ob wir wat Schickes für Sie uf Lajer haben«, sagte sie und bemühte sich um einen munteren Ton. Sie scrollte die Jobangebote herunter, um wenige Sekunden später festzustellen, dass sie da »nix für mich zu stehen« hatte.
Jeder vierte Architekt in Berlin war ohne regelmäßige Beschäftigung, klärte mich Frau Dombrowski auf. Hinzu kamen jährlich rund sechstausendfünfhundert Uni-Abgänger aus dem Fachbereich Architektur, die neu auf den Arbeitsmarkt drängten. Händeringend gesucht hingegen würden Erzieher(innen) für Kitas, fuhr Frau Dombrowski fort und riet mir, eine Umschulung in Betracht zu ziehen.
»Dit jeht janz
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