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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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könnte ihr gegenüber wieder emotionale oder – schlimmer noch – finanzielle Bedürfnisse haben.
    Schließlich passierte etwas, was ich bei meinem entschlossenen Auszug aus dem Zehlendorfer Vorstadt»idyll« nie für möglich gehalten hätte: In einsamer Stunde fragte ich mich, ob meine Trennung von Mark wirklich der richtige Schritt gewesen war. Vermisste ich ihn etwa? Ich fing an, unsere Ehezeit durch eine rosarote Brille zu sehen. Immer öfter drängten sich alte Erinnerungen an unsere gemeinsame Anfangszeit in mein Be wusstsein. Ich musste daran denken, wie Mark mir damals regelmäßig selbst gepflückte Blumensträuße schenkte, wie er mir in romantischen Momenten sagte, dass er mich liebte, wie ausgelassen er – wenn er mal Zeit hatte – mit den Kindern im Garten herumtollte und wie ihm die Tränen gekommen waren, als Clooney von einem Dobermann halb tot gebissen wurde und wir nicht sicher waren, ob er durchkommen würde. Zudem kamen mir die Streitereien in unserer Ehe lapidar und leicht zu lösen vor, und ich ertappte mich dabei, wie ich Mark in meinem Kopf idealisierte und zum tollsten Mann der Welt deklarierte. Ließ sich die abgestorbene Liebe zwischen uns vielleicht doch nochmals beleben?
    Zunehmend suchte ich auch bei mir die Fehler und fragte mich, ob ich zu früh aufgegeben und nicht hartnäckig genug um unsere Familie gekämpft hatte. Oder hatte meine Mutter vielleicht doch recht mit ihren Vorwürfen, das Leben sei weder ein Vergnügungspark noch ein Wunschkonzert, und ich würde nur an mich selbst denken und überhaupt nicht an Mark und die Kinder?
    Endgültig geschürt wurde das Feuer meiner Trennungsreue an einem frühsommerlichen Sonntag, an dem meine Kinder zum fünften Geburtstag der Tochter der Familie König – unseren ehemaligen Zehlendorfer Nachbarn – zum Geburtstag eingeladen wurden.
    Traditionell feierten die Königs ihre Kindergeburtstage nicht in Berlin, sondern in ihrem Wochenendhaus in der ländlichen Uckermark, das etwa eine Autostunde von der Stadt entfernt liegt.
    Um mich nicht den neugierigen und nach Sensationen gie renden Fragen der Zehlendorfer Mit-Mütter auszusetzen, woll te ich eigentlich gar nicht dort hinfahren. Da für meine Kinder die königlichen Geburtstage jedoch wegen des Ponyreitens und der Hüpfburg eines der jährliches Highlights darstellten, brachte ich eine Absage nicht übers Herz und machte mich an einem sonnigen Sonntagmorgen mit ihnen und Clooney auf den Weg in die Uckermark.
    Das erste Mal seit meiner Trennung von Mark sah ich viele Bekannte aus meiner Ehezeit wieder, da zu deren einschlägigen Abendveranstaltungen seither ausschließlich Mark eingeladen worden war. Da die Uckermark ein beliebtes Ausflugsziel ist, kamen bis auf meine Kinder alle anderen in Begleitung beider Elternteile.
    Den ganzen Tag über beobachtete ich harmonische Familien szenen wie aus Werbespots für Kinderschokolade oder Cornflakes. Stolze Väter trugen ihre glücklich strahlenden Kinder auf den Schultern durch die sonnige Landschaft. Mütter in blumigen Sommerkleidern amüsierten sich beim Topfschlagen und Tauziehen. Und an der langen Tafel im Garten thronte, seinem Nachnamen alle Ehre machend, das Geburtstagskind mit einer Krone auf dem Kopf, während seine Eltern Arm in Arm danebenstanden und ihrem Nesthäkchen gerührt zulächelten.
    Wie ein Zaungast beobachtete ich den Club wohlsituierter Familien und fühlte mich dabei wie an einem Winterabend, an dem man allein, frierend und schlecht gelaunt an erleuchteten Fenstern vorbeigeht, durch die man glückliche Menschen am Kaminfeuer sitzen und miteinander lachen sieht. Und obwohl ich wusste, dass viel von dem zur Schau getragenen Glück nur Fassade war, sehnte ich mich trotzdem danach, dem vertraut anmutenden Club wieder anzugehören.
    Zugleich wies ich mich selbst zurecht, dass es einzig die Traumvorstellung eines Hollywood-Happy-Ends für meine Familie war, um die ich trauerte, und dass dieser Traum nichts mit der Realität zu tun hatte, die Mark und ich in unserer Ehe erlebt hatten. Ich zwang mich sogar, an einen Lehrer aus Schulzeiten zu denken, der immer wieder alte Weisheiten zitierte, so wie: »Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen, denn andere Wasser strömen nach.«
    Doch selbst dieser Appell an meine Vernunft war umsonst. Und so wählte ich, kaum dass wir wieder im Auto saßen und zurück nach Berlin fuhren, Marks Nummer und bat ihn um ein gemeinsames Mittagessen. Als Grund gab ich vor, die

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