Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Kinderaufteilung in den anstehenden Sommerferien besprechen zu wollen. In Wahrheit erhoffte ich mir durch unser Lunch-Date aber eine Gelegenheit für eine Aussprache und womöglich sogar neue Annäherung.
Doch schon die Terminvereinbarung für das Date verlief nach den alten Mustern, die mich so oft frustriert hatten. In den kommenden vier Wochen bis zum Beginn der Sommerferien bot Mark mir genau ein knapp bemessenes Zeitfenster an. Ansonsten war er angeblich schon komplett »durchverabredet«.
Dass für mich der vorgeschlagene Zeitpunkt denkbar ungünstig war, da ich genau an dem Tag den Gesprächstermin mit meinem ehemaligen Chef Roger Kanitz vereinbart hatte, interessierte Mark nicht weiter.
Als wir uns schließlich in einem Restaurant gegenüber saßen – meinen Termin mit Roger Kanitz hatte ich wohl oder übel verschieben müssen –, schlang Mark sein Essen hinunter und sah dabei immer wieder auf die Uhr.
»Mail mir doch später sämtliche relevanten Daten ins Büro«, wies er mich mit vollem Mund an. Und zwar gut organisiert und in dieser Reihenfolge:
Erstens: den Termin von Lorenz’ Vorschulklassen-Sommerfest; zweitens: das Datum und die Uhrzeit seiner Einschulung nach den Sommerferien; drittens: die Adresse seiner neuen Schule; viertens: den Namen und die Anschrift der neuen Kita der Mädchen; fünftens: sämtliche Daten der Schul- und Kita-Ferien für das kommende Schuljahr; sechstens: eine Auflistung der Selbstbeteiligungskosten für die prophylaktischen Zahnbehandlungen der Kinder dividiert durch zwei; siebtens: die Telefonnummer von unserer Babysitterin Natalia, die er sich, obwohl wir Natalia jahrelang regelmäßig beauftragt hatten, immer noch nicht selbst notiert hatte.
Ich atmete tief durch und fragte Mark, warum er immer wieder versuchte, mich in die Rolle seiner Privatsekretärin zu drängen.
Daraufhin grinste er schief und erwiderte:
»Weil es immer wieder funktioniert.«
Der Punkt ging an ihn. Von draußen ertönte genervtes Hupen; Mark hatte seine »Katze« – wie er seinen samstäglich geputzten dunkelgrünen Jaguar zärtlich nannte – in der zweiten Reihe geparkt und blockierte mindestens drei andere Autos.
Schnell blätterte er einige Geldscheine für das Essen auf den Tisch und schnappte sich seinen Sommermantel. Dann war er weg. Und mit ihm meine melancholische Ambivalenz.
Um nie wieder einen Ehe-Glorifizierungs-Anfall zu erleiden, schrieb ich zu Hause in fetten Großbuchstaben »Radikale Akzeptanz« auf einen Zettel und klebte mir ihn ins Bad mitten auf den Spiegel. Die Liebe zwischen meinem Exmann und mir war vorbei. Ein für alle mal.
3
Als ich wenige Tage später am Kollwitzplatz ent langlief, hörte ich eine dunkle Stimme meinen Namen rufen. Ich sah mich um. Vor den Cafés auf der anderen Straßenseite saßen mehrere asiatische Touristen neben den vertrauten ein heimischen Laptop-Posern, die geschäftig taten und sich von ihren aufgeklappten Mac-Notebooks kreativen Sex-Appeal erhofften.
Dann erkannte ich Sven, der allein mit einem Glas Rotwein vor sich an einem Tisch saß. Svens und meine gemeinsamen Erinnerungen führten uns zurück zu den Anfängen unserer Studienzeiten. Damals hatten wir uns sehr ineinander verliebt, doch unsere Wege trennten sich, als Sven sein Studium schmiss und auf unbestimmte Zeit auf Weltreisen ging.
»Inzwischen bin ich selbstständig und organisiere Sport events«, sagte er, nachdem ich mich zu ihm in die warme Maisonne gesetzt hatte.
Ich musterte ihn. Mit seinen aschblonden Bed-Head -Haaren, seiner hippen Sonnenbrille und seinem dunkelgrauen T-Shirt versuchte er zwar, das Image eines coolen Hundes zu vermitteln. Leider entsprach sein Körper diesem Wirkungsideal aber nicht mehr; im Vergleich zu früher hatte der nämlich an Masse zugelegt.
Sven ist bestimmt verheiratet oder lebt schon lange in einer Beziehung, sagte mein innerer Kritiker.
Mit meiner Einschätzung, ob ein Mann fest liiert war, lag ich selten falsch. Hatte man in der Generation unserer Eltern noch den Frauen nachgesagt, sie gingen nach der Geburt ihrer Kinder wie Hefeklöße auseinander, waren es aktuell fast ausschließlich die Männer, die sich in den Häfen ihrer Ehen oder Langzeitbeziehungen hemmungslos gehen ließen, dabei Bauch- und Doppelkinnringe ansetzten und seltsamerweise auch früher als die beziehungsunfähigen Dauersingles ihre Kopfhaare verloren.
In Svens Fall – dem ich am liebsten sofort eine »Reinvent yourself« -Kur inklusive eines straffen
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