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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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Ehe hauptsächlich diejenige gewesen, die sich mit den Bedürfnissen der Kinder und erzieherischen Fragen auseinandergesetzt hatte. Für Mark war das alles jetzt Neuland.
    In der folgenden Nacht schlief ich schlecht. Ich erinnerte mich an meine Freundin Esther, deren Töchter bei jeder neuen Freun din ihres Exmannes Dirk mit demselben Spruch nach Hause kamen: Susie, Musie oder Spusie liebt Kinder über alles …
    Drei ganz große Lieben hatte Dirk innerhalb von drei Jahren durchlaufen. Seine wechselnden Freundinnen hatten sich mit ihren Beteuerungen überboten, wie vernarrt sie allgemein in Kinder waren und besonders natürlich in die von Dirk. Dabei lag es auf der Hand, dass seine ersten beiden Freundinnen das nur behauptet hatten, um bei Dirk zu punkten. Die dritte meinte es zwar ernst, drängte sich aber zu sehr auf. So bat sie beispielsweise eigenmächtig den Klassenlehrer von Dirks Tochter um ein Gespräch, nachdem das Mädchen eine Fünf mit nach Hause gebracht hatte. Und zu Weihnachten schenkte sie Dirk eine Radierung, die sie bei einem Künstler in Auftrag gegeben hatte: Darauf zelebrierte sie das Stiefmuttermotiv in inniger Umarmung mit den beiden Kindern.
    Esther versuchte ihrem Exmann immer wieder klarzumachen, dass die Kinder seine Freundinnen als Bezugspersonen in ihr Herz schließen. Und dass er es sich gut überlegen soll, wann beziehungsweise ob er ihnen seine temporären großen Lieben überhaupt vorstellt. Dirk hingegen war der Auffassung, dass Esther die Kinder zu sehr behütete, und unterstellte ihr obendrein Eifersucht. Auch hielt er es nicht mal für nötig, die Kinder zu trösten, wenn ihm wieder einmal eine Frau abhandengekommen war – diese Aufgabe überließ er gern Esther.
    Um mich von meiner Enttäuschung, Wut und Sorge abzulenken, stürzte ich mich in Arbeit und tat mein Bestes, um mich auf mein neues Berufsfeld vorzubereiten:
    Ich verglich verschiedene Baubroschüren in ihren visuellen Umsetzungen miteinander und recherchierte die aktuellen Softwares. Außerdem führte ich ein Gespräch mit einem Produktdesigner, der mir versicherte, dass Visualisierer auch in seiner Berufssparte gefragt waren.
    Parallel dazu checkte ich regelmäßig Antje Kempers Internet-Account und stellte fest, dass Antjes Persönlichkeitsstruktur das Vertrauen von Männern weckte. Ihr Account wurde geradezu überflutet mit Cyber-Anstupsern, Cyber-Lächeln, Cyber-Komplimenten und Cyber-Anfragen zur Kontaktaufnahme. Auch qualitativ wirkten die Männer, die sich für Antje interessierten, gar nicht schlecht und viel seriöser als die, die sich auf mein wahrheitsgetreues Profil hin gemeldet hatten.
    Als die ersten Männer Interesse an einem persönlichen Treffen mit mir, alias Antje Kemper, bekundeten, entschied ich mich für einen Mann namens Kay, der mich eigentlich schon deshalb nicht interessierte, weil er Wirtschaftsprüfer war, zwei Söhne namens Friedrich und Maximilian hatte und, hiernach zu urteilen, einer Welt zuzuordnen war, der ich mit dem Ende meiner Ehe entflohen war. Für einen Testlauf, bei dem ich zum ersten Mal die wahre Identität von Antje Kemper enttarnen würde, kam er mir aber gerade recht. Einen guten Plan hatte ich nämlich noch nicht, wie ich meiner neuen Bekanntschaft beichten sollte, dass ich in Wahrheit Phyllis hieß, verschuldet war und mit einer ganzen Schar von Kindern und Haustieren auf sehr überschaubarem Wohnraum zusammenlebte. Dass ich darüber hinaus Kuschelrock verabscheute, höchstens Kinderpampe kochen konnte und mir auf speziellen Wunsch einen Kittel erst zulegen müsste.
    Da Kay sofort zusagte, als ich ihm, gemäß der Hobbyliste von Antje Kemper, einen gemeinsamen Spaziergang vorschlug, bestellte ich ihn zu einer Straßenkreuzung, von der aus man in die eine Richtung um den zwei Kilometer langen See Krumme Lanke spazieren kann, während sich in die andere Richtung ein fünf Kilometer langer Weg um den größeren Schlachtensee erstreckt. Je nach Ersteindruck von meinem Versuchskaninchen wollte ich mich spontan für den kürzeren oder den längeren Spaziergang entscheiden.
    Zwanzig nach drei – und damit zwanzig Minuten zu spät – zeigte meine Uhr an, als ich mit Clooney zwischen der Krummen Lanke und dem Schlachtensee auf Kay wartete. Da mein, alias Antje Kempers Foto, das ich im Internet veröffentlicht hatte, absichtlich sehr verschwommen war, diente mir Clooney als Erkennungszeichen. Ich sah mich um. Doch ein Mann, der zu Kays Foto oder seiner Selbstbeschreibung passte,

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