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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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russischer Frauen in der Robustheit ihres Gemüts liegt, welches sie nicht nur harte, lange Winter, sondern auch widerspenstige Männer ertragen lässt. Oder ob die Kombination aus ihrer Strapazierfähigkeit und ihrem Selbst verständnis, mit der sie feminin und lasziv ihre Sinnlichkeit zelebrieren, die Männer besticht.
    Roger drehte den Bildschirm seines Computers in meine Richtung.
    »Sie ist bildschön, stimmt’s?«
    Er strahlte voller Stolz während er mir eine bildtechnisch ein drucksvoll nachbearbeitete 3-D-Ultraschall-Fotoserie von seiner ungeborenen Tochter präsentierte.
    »Babyfernsehen hat es der Gynäkologe bei der letzten Untersuchung genannt«, fuhr er fort, »und da hab ich sofort an dich gedacht …«
    Na toll, dachte ich, wenn es um sein neues Bauprojekt geht, denkt er nicht an mich, dafür aber beim Anblick einer Gebärmutter.
    Roger, dem mein Missmut nicht entgangen war, lehnte sich amüsiert zurück: »Doch nicht wegen deines multiplen Kinderkriegens, Phyllis«, sagte er und klärte das Missverständnis auf, »sondern wegen der 3-D-Effekte!«
    Erleichtert ahnte ich jetzt, worauf Roger hinauswollte: Tatsächlich schlug er mir vor, mich im 3-D-Modelling und Rendern – worunter man in der Architektur die Umsetzung technischer Zeichnungen in anschauliche 3-D-Bilder versteht – fortzubilden.
    »Leute, die den Bauherren unsere Pläne visualisieren und schmackhaft machen können, werden nach wie vor gesucht«, erläuterte mir Roger die Marktsituation. Dann reichte er mir den Flyer einer privaten Akademie, die entsprechende Kurse anbot. Mit der Idee einer Weiterbildung zum 3-D-Visualisierer rannte Roger bei mir offene Türen ein. Denselben Plan hatte ich auch schon vor einiger Zeit gehabt.
    Natürlich war es langfristig immer noch mein Traum, wieder als Architektin zu arbeiten. Doch als Überbrückungstätigkeit, solange die Kinder klein waren, eignete sich das Rendern gut: Ich könnte freiberuflich von zu Hause arbeiten, ausreichend verdienen, und außerdem wären meine Kunden Architekten, wodurch ich den Kontakt zur Architekturszene nicht verlieren würde.
    Zu meiner Ehezeit war mein Vorhaben daran gescheitert, dass a) die Fortbildung fulltime am anderen Ende Berlins statt gefunden hätte, b) der Kurs inklusive der Software rund zwölf tausend Euro gekostet hätte, und c) Mark nicht bereit dazu gewesen war, mein Vorhaben finanziell und/oder in seiner praktischen Umsetzung zu unterstützen. Dass ich mir damit eine kinderkompatible berufliche Basis geschaffen hätte, wollte Mark damals nicht hören. Stattdessen warf er mir vor, durch meine Rastlosigkeit immer wieder neue Hektik in unser Leben zu bringen.
    »Lass uns in Kontakt bleiben, Phyllis«, beendete Roger das Gespräch. »Versprechen kann ich dir nichts, aber wie gesagt: Aufträge zum Rendern gibt’s immer, und du bist die Erste, der ich sie gebe, wenn du das gut drauf hast.«
    Ich bedankte mich bei Roger für seinen Rat und verabschiedete mich von ihm und meinen ehemaligen Kollegen.
    Sobald ich wieder auf der Straße stand, rief ich Cosima an und schilderte ihr die Sachlage. Zwar hatte ich nicht erwartet, dass Roger mir einen neuen Job anbieten würde. Doch auf ein Wunder hatte ich insgeheim schon gehofft. Und so gut Rogers Masterplan mit dem Visualisieren gemeint war, so schwierig war er in seiner Umsetzung: Auf meinem Konto lagen weder zwölftausend Euro, noch verfügte ich über finanzielle Sicherheiten, gegen die ich einen Kredit hätte aufnehmen können. Und in meiner Familie gab es nur meine Marbella-Mutter, die ich hätte anpumpen können, und das war das Letzte, was ich tun wollte.
    Weitere Verwandte hatte ich aber meines Wissens nicht. Als in den Siebzigern geborenes Kind einer damaligen Vollblut-Hippie-Mutter hatte diese meinen Vater nämlich als unwichtig eingestuft und in meiner Geburtsurkunde als unbekannt eintragen lassen. Nachdem meine Mutter die Kehrtwende ihrer Geisteshaltung vollzogen und als konservative Golf- und Bridgespielerin ins Nobel-Rentnerparadies Marbella gezogen war, hatte sie mir auf mein Drängen hin zwar den Namen eines Mannes genannt, der angeblich mein Vater war. Meinen Recherchen nach war dieser Mann damals aber bereits verstorben.
    »Da gibt’s nichts zu beratschlagen«, antwortete mir Cosima knapp, »Roger Kanitz war deine letzte Chance. Im Ausschlussverfahren bleibt dir nichts anderes übrig, als deine Mutter anzuhauen und die Weiterbildung zu machen. Es sei denn, du willst doch noch pädagogisch in einer

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